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Seit Jahresbeginn dürfen Busse der Bahn Konkurrenz machen / Ausflug in die Bundeshauptstadt. Von Oliver Schlicht und Andreas Stein Fernbus: Mal schnell nach Berlin für 16 Euro

26.01.2013, 01:15

Ist der Fernbus eine Alternative zur Bahn? Die Volksstimme probierte es aus. An einem Tag nach Berlin und zurück. Kaum Fahrgäste, bequeme Sitze und bezahlen kann man auch beim Fahrer.

Magdeburg l 15 Uhr soll es losgehen. Magdeburg, Busbahnhof. Schneeregen. Zehn vor drei steht noch kein Mensch am Bahnsteig 7. Am Bahnsteig 5 warten ganz viele. Richtung Rottmersleben. Und der Bus nach Wanzleben vom Bahnsteig 3 war auch ziemlich voll. Am Bahnsteig für die Fernbusse warten nur zwei Frauen.

15.10 Uhr. Noch kein Bus da. "Berlin BEX" steht an der Anzeigetafel. Laut Fahrplan sollte doch die Firma "BerlinLinienBus" (BLB) nach Berlin fahren? BEX ist ein Bus von "Bayern Express P. Kühn Berlin GmbH". Sind wir hier richtig? "Das stimmt schon. Das ist alles das Gleiche. Aber wo bleibt der Bus?", fragt Astrid Koch mit einem ersten Anflug von Sorgenfalten auf der Stirn. Sie kommt aus Schackensleben (Börde) und will zum ersten Mal mit dem Bus nach Berlin fahren. Ihre Freundin hat sie zum Bahnhof gebracht.

15.15 Uhr kommt ein Bus mit Schild "Berlin" in der Frontscheibe. Kein BLB-Bus, kein BEX-Bus, sondern ein URB-Bus: "Ücker-Randau-Bus". "Das stimmt schon", ruft Fahrer Gerhard Faber aus der offenen Bustür. "Wir fahren die Strecke im Auftrag von Berlin-Linien-Bus", erklärt er. Nun gut. Auf nach Berlin. 16 Euro kassiert Faber für die Tour nach Berlin am Funkturm. Da kann man nicht meckern.

Aus Goslar im Westharz war der Bus gekommen. "Wir hatten etwas Verspätung, weil wir zwischen Blankenburg und Quedlinburg im Stau standen", entschuldigt sich der Fahrer. Nun schaukelt der Bus über den Magdeburger Ring in Richtung Autobahn. Große Scheiben, angenehm warm ist es. Nur sechs Passagiere an Bord.

Astrid Koch - der einzige Fahrgast aus Magdeburg - hat es sich im tiefen rotbraunen Polster bequem gemacht. "Ich besuche meine Tochter. Sie feiert ihren 24. Geburtstag", erzählt sie. Es ist nicht ihr erster Besuch in Berlin. "Aber bisher bin ich immer mit der Bahn gefahren. Mit dem Bus, das wollte ich mal ausprobieren." Übers Internet hat sie sich informiert über den Fahrplan. Und zufrieden? "Ist doch top. Und der Preis ist auch in Ordnung", findet die Schackensleberin. Sie steckt sich die Ohrhörer ihres Musikplayers in die Ohren und schaut hinunter auf die Überholspur.

Ihr gegenüber sitzt Helga Bröker und liest Zeitung. Die 80-jährige Dame kommt aus Berlin-Spandau im Westteil der Stadt. "Ich habe einige Tage in meiner Eigentumswohnung in Bad Harzburg verbracht. Jetzt bin ich wieder auf dem Heimweg", erzählt sie. "Ich fahre gern Bus. Und in Bad Harzburg brauche ich nur ein kleines Stück mit dem Taxi fahren."

Zu Hause ist für die rüstige Rentnerin Berlin und der Harz. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie die Wohnung in Bad Harzburg schon vor vielen Jahren erworben, um dem Großstadttrubel zu entkommen. Inzwischen "flüchtet" sie allein gelegentlich in den Harz. Die Fahrkarte für den Bus kauft sie direkt am Berliner Busbahnhof am Funkturm. "Manchmal bin ich mit einer Freundin mit dem Auto unterwegs und wir kaufen die Fahrkarten, wenn wir in der Nähe sind."

Schon seit Jahren unterwegs von Berlin in den Harz

Mit dem Bus in den Harz war Helga Bröker schon immer unterwegs. Auch als es die DDR noch gab. Denn, dass die Deutsche Bahn - zu der das Unternehmen "Berliner Linien Bus" gehört - Fernbusverbindungen schon seit Jahrzehnten anbieten darf, hat einen Grund. Weil es nach der deutschen Teilung zu wenige Zugverbindungen zwischen Berlin und Westdeutschland gab, bekam die Deutsche Bahn eine Ausnahmegenehmigung zum Betrieb eines Fernbus-Liniennetzes. Diese Regelung hat bis heute Gültigkeit (Historie siehe Infokasten). Subunternehmen - im Auftrag der Bahn - profitieren ebenfalls davon.

Am 1. Januar 2013 ist das Bahn-Monopol auf Fernbusreisen aber gefallen. Seitdem können auch private Verkehrsunternehmen innerdeutsche Strecken anmelden. Bedingung: Zwischen den Haltestellen liegen 50 Kilometer Distanz oder eine Stunde Fahrzeit. Bislang seien keine neuen Streckenanmeldungen eingegangen, teilt das Landesverwaltungsamt mit. "Mir ist nichts von Planungen unserer Mitglieder bekannt", sagt auch Günter Haubold vom Landesverband der Omnibusunternehmer. Internationale Unternehmen wie Veolia (Frankreich) und National-Express (Großbritannien) haben gleichwohl angekündigt, innerdeutsche Strecken aufzulegen.

"Es ist noch zu früh im Jahr, um bereits Ergebnisse der Fernbusliberalisierung zu sehen", sagt Engelbert Recker, Geschäftsführer des Interessenverbandes privater Verkehrsunternehmen mofair in Berlin. Damit sei erst in der Jahresmitte zu rechnen. Gleichwohl seien europäische Buslinien nun für den Verkehr in Deutschland geöffnet - dürfen also bei der Durchfahrt Deutsche im Inland als Passagiere aufnehmen und auch wieder absetzen. Auch die Privatanbieter aus Deutschland warten offenbar noch ab und beobachten die Konkurrenz, bevor sie sich aus der Deckung wagen. "Wir fahren bereits Leipzig an, planen aber deutschlandweit ein flächendeckendes Netz, das Sinn macht", sagt Gregor Hintz von "Mein Fernbus". "Sachsen-Anhalt im Herzen der Republik ist uns wichtig", betont er.

"Wir starten 2013 definitiv in Sachsen-Anhalt Linien und suchen gerade regionale Partner. Halle und Magdeburg sind interessante Ziele", sagt auch "deinbus.de"-Sprecher Christian Janisch. Das könne jedoch noch ein paar Monate dauern.

Die Deutsche Bahn, selbst größter Anbieter von Fernbuslinien, winkt ab: Man wolle sich vorerst aufs Kerngeschäft mit der Schiene konzentrieren, teilt ein Sprecher mit. "Die Bahn hat schon viele Strecken. Sie wird wohl eher neue Linien aufkaufen, die sich als rentabel erweisen", mutmaßt Engelbert Recker von mofair. Für den Bundesverband Deutscher Omnibusanbieter profitiert der Kunde in jedem Fall von der Liberalisierung - denn die Fahrpreise würden bei steigender Konkurrenz weiter sinken.

19 Uhr. Busbahnhof Berlin. "Nach Magdeburg in 30 Minuten in Richtung Amsterdam mit Eurolines", sagt die Frau am Schalter. "Eurolines? Im Fahrplan steht doch Berlin-Linien-Bus?" "Das stimmt schon. Das ist alles das Gleiche", so die Dame. 16 Euro kostet auch die Rückfahrt. Der Bus kommt aus Warschau. Am Haltepunkt stehen etwa zehn Passagiere. Polen, Spanier und Irmgard Wettig. Sie ist der einzige Fahrgast nach Magdeburg. "Ich habe meine Schwester Helga besucht." Helga hat sie zum Funkturm begleitet. Sie sagt: "Ich komme aus Köpenick. Da waren wir bis zum Funkturm fast genauso lang unterwegs, wie die Fahrt jetzt nach Magdeburg dauert", so die Berlinerin. Irmgard Wettig nickt. Der Busbahnhof in Berlin liegt schon etwas am Rande. "Aber der Fahrpreis stimmt", findet sie. Der Motor springt an. 90 Minuten später ist der Busausflug in Magdeburg zu Ende.