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Finzelberg-Prozess Spitzenbeamter im Kreuzverhör

Hunderttausende Euro Bestechungsgelder sollen im Müllskandal geflossen sein. Finzelberg weist die Vorwürfe zurück.

15.06.2016, 23:01

Magdeburg l Seit gut acht Monaten versucht das Landgericht Magdeburg nun schon, den Müllskandal aufzuklären. Hat sich der damalige Landrat Lothar Finzelberg (parteilos) bestechen lassen? Der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft behauptet das. Finzelberg weist diese Vorwürfe zurück. Inzwischen ist der Prozess an einem Punkt angekommen, an dem die Verteidigung die Anklage mit dutzenden Beweisanträgen zu widerlegen versucht. So auch am 27. Verhandlungstag am Mittwoch – geladen diesmal: Ex-Staatssekretär Thomas Pleye (CDU). Der 56-Jährige war von 2006 bis 2011 im Wirtschaftsministerium unter dem damaligen Minister und heutigen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) tätig.

In dieser Zeit, am 11. März 2008, ist die illegale Müllentsorgung durch einen Fernsehbericht aufgeflogen. Doch wie Pleye vor Gericht bestätigt, war Finzelberg bereits am 6. März in der Sache im Wirtschaftsministerium vorstellig geworden. Der Grund: Bei einer Kontrolle waren in den Tongruben erhöhte Werte aufgefallen. Der Anteil an Hausmüll war viel zu hoch.

Die Landesbehörden wollten dem Tongrubenbetreiber deshalb die Verfüllungsgenehmigung entziehen. Doch Finzelberg hatte Bedenken. Es ging um ein Unternehmen und Arbeitsplätze in seinem Landkreis. Man habe sich darauf verständigt, den Vorgang nochmal zu prüfen, sagt Pleye. Nach dem Gespräch habe er Haseloff zur Sache informiert. Doch durch die Recherchen der Medien stieg der Druck: Noch am 11. März wurde der Grubenfirma die Genehmigung entzogen. Umweltministerin Petra Wernicke (CDU) gab zu, das Wirtschaftsministerium schon im Herbst 2007 über die erhöhten Werte informiert zu haben.

Finzelbergs Verteidiger haken energisch nach, warum bis zum Entzug der Genehmigung ein halbes Jahr ins Land ging. Nur die Mitarbeiter des Bergreferates und der Abteilungsleiter hätten von den erhöhten Werten gewusst, bestreitet Pleye jegliche Verantwortung. Die Mitarbeiter seien „vorsichtig“ bei einer so „weitreichenden“ Verfügung vorgegangen, räumt er ein. Die Hausspitze, Haseloff und er, hätte erstmals durch das Finzelberg-Gespräch von den Vorgängen erfahren, sagt der Ex-Staatssekretär.

Das bezweifelt Finzelberg. Auf einer Konferenz im Juni habe sich Haseloff bereits dafür eingesetzt, dass Abfälle weiter in Tongruben verfüllt werden dürfen, hält er Pleye vor. Ob er darüber nicht mit Haseloff gesprochen habe, will Finzelberg wissen. „Nein“, antwortet Pleye schroff. Finzelberg nimmt Pleye ins Kreuzverhör. Nochmal fragt er ihn, warum die Landesbehörden ein halbes Jahr lang nicht reagiert hätten? „Das Land war doch dabei!“, ruft Pleye laut. Die Verfügung sei in der Zwischenzeit vorbereitet worden.

Finzelberg-Anwalt Andreas Meschkat sieht das anders. Er sagt: „Die Tongruben waren für Sachsen-Anhalt wirtschaftlich bedeutend. Die Praxis der Verfüllung zu beenden, war politisch nicht gewollt.“ Deshalb habe man so lange gezögert. „Herr Finzelberg hat Herrn Haseloff schon im Dezember 2007 darauf hingewiesen, dass gehandelt werden muss“, sagt Meschkat. Das steht im Widerspruch zur Aussage Pleyes, der Haseloff erstmals im März 2008 informiert haben will.

So wie Pleye hat es auch Haseloff selbst immer dargestellt. Die leitenden Beamten hätten die Vorgänge falsch interpretiert und die Hausspitze habe erst Anfang März von der Problematik erfahren, hatte er stets erklärt. Die Verteidigung erwägt, die Ladung Haseloffs zu beantragen und ihn vor Gericht dazu zu befragen.