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Helfer aus dem ganzen Land kommen in den Ort und packen an Fischbeck: Nach Wasser rollt nun Welle der Hilfsbereitschaft heran

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 25.06.2013, 03:15

Fischbeck. Sonntagmittag am Haus der Vereine. Ein Laster nach dem anderen rollt auf den Hof. Das DRK bringt Mittagessen für alle. Ein Kleintransporter ist voll beladen mit Spenden. Die letzten Teile für den Waschsalon werden abgeladen. Nach und nach kommen die erschöpften Dorfbewohner, freuen sich über die kurze Verschnaufpause, eine warme Mahlzeit und Gespräche mit anderen Betroffenen.

Winkend verabschieden sich sieben Helfer aus Heilbronn. Sie waren am Freitag in Fischbeck angekommen. "Wir hatten von der Katastrophe gehört, Bautrockner und Pumpen eingepackt und sind einfach losgefahren", berichtet Timo Rahmer. Er gehört zu den Freunden von Ralf Jarosch, Inhaber einer Heizungs- und Sanitärfirma, der die Geräte zur Verfügung stellte. Für das Einsetzen der Pumpen ist es noch zu früh in Fischbeck, "deshalb haben wir erst einmal das auch überflutete Haus der Vereine saubergemacht, den Menschen beim Ausräumen der Häuser geholfen sowie Möbel und Lebensmittel von einer Sammelstelle in Wolfsburg nach Fischbeck geholt".

Die vor zehn Jahren errichtete Kegelbahn ist kaputt

Weitere Helfer haben am Haus der Vereine, wo auch die erst 2003 installierte Kegelbahn zum großen Bedauern des rührigen Kegelvereins kaputt ist, Position bezogen. Jan Frobenius aus Hamburg ist einer von ihnen. Mit dem Wohnmobil war er vergangene Woche einfach losgefahren. Zuvor hatte er in seiner Abteilung - er arbeitet beim Medienkonzern Bauer - Geld gesammelt. Davon kaufte er Lebensmittel ein. In Fischbeck traf er als erstes auf Klaus Wittmüß, der am Ortseingang mit dem Ausräumen seines Hauses begonnen hatte. Der wies ihm den Weg zum Haus der Vereine. "Die Fischbecker kamen gerade erst nach und nach zurück. Wir haben hier erst einmal den Essenraum eingerichtet und am Sonnabend 120 Portionen Nudeln mit Tomatensoße auf einem Gasbrenner und der Platte in meinem Wohnmobil gekocht." Es sei bewegend, die heimkehrenden Fischbecker vor den Trümmern ihrer Existenz zu sehen. Zusammen mit anderen Helfern aus Rostock und Chemnitz stiefelte er ab Sonnabend einfach los und bot den Menschen Hilfe beim Ausräumen an. Sein Urlaub neigt sich dem Ende, heute rollt Jan Frobenius mit seinem Wohnmobil wieder vom Hof - vergessen wird er die Fischbecker wohl nie!

Fast nichts mehr ist zu gebrauchen von dem, was das Deichbruchwasser überflutet hat. Möbel, Hausrat, Dielen, Tapeten - alles bringen die Betroffenen raus an den Straßenrand. Von hier holt das Entsorgungsunternehmen Alba den Sperrmüll ab. Am Sonntag waren gleich sechs Fahrzeuge im Einsatz.

"In den kommenden zwei, drei Wochen fahren wir Sonderschichten, um alles abzuholen", erklärt Regionalleiter Steffen Romatschke. Er sitzt eigentlich im Büro, am Sonntag packte er selbst an. "Ich lasse die Jungs bei dieser Aufgabe nicht allein." Alles, was in den Pressfahrzeugen landet, kommt erst mal nach Demker.

Worms greifen auf der Flucht noch rasch Viviens neue Mappe

Auch der Hausrat von Familie Worm. Mounique und Silko hatten am 9. Juni bis zur letzten Minute, als alle Zivilisten fortgeschickt wurden, noch auf dem Deich gestanden und Sandsäcke verlegt. Viel Zeit, etwas in Sicherheit zu bringen, ist ihnen nicht geblieben. "Die Mappe von unserer Tochter Vivien, die jetzt zur Schule kommt, hatten wir noch schnell gegriffen". 45 Zentimeter hoch stand das Wasser in ihrem schmucken Haus, auch vom schön angelegten Hof ist nichts geblieben, "um das Beet mit den Hochzeitsblumen ist es besonders schade". Jeden Euro hatten Worms, die eine Wohnung im Ort bezogen haben, in ihr Heim gesteckt. Nun machen sie sich Sorgen um die Zukunft, haben wie die meisten keine Versicherung. "Wie wir das schaffen sollen, weiß ich nicht", ist die 33-Jährige verzweifelt. Sie ist als mobile Friseurin selbstständig, an Arbeit und somit Geldeinnahme ist derzeit nicht zu denken. Ihr Mann arbeitet in einer Kfz-Werkstatt und wird nach Feierabend jede Minute nutzen, um seiner Familie wieder ein Zuhause zu schaffen. Vivians Kinderzimmer soll als erstes fertig sein.