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Forschung Blick ins Innere des Kleintier-Gehirns

Das Leibniz-Institut Magdeburg weiht einen einzigartigen Tomographen ein. Forscher wollen neurologische Krankheiten besser verstehen.

Von Alexander Walter 27.09.2018, 01:01

Magdeburg l Auf den ersten Blick wirkt der neue Stolz des Magdeburger Leibniz-Instituts für Neurobiologie wie ein gewöhnliches MRT-Gerät: Die Maschine pumpt und pfeift genauso, wie es Magnetresonanz-Tomographen auch beim Radiologen um die Ecke tun. Beim Betreten des Untersuchungsraums im Keller der Forschungs-Einrichtung neben dem Magdeburger Uniklinikum stellt sich dasselbe mulmige Gefühl ein.

Damit enden die Gemeinsamkeiten aber auch. Denn die Maschine ist speziell für die Untersuchung von Kleintieren gebaut. Die Untersuchungsröhre ist mit einem Durchmesser von 20 Zentimetern dann auch deutlich enger, sagt Laborleiter Eike Budinger. Durch die Größe sollte sich allerdings niemand über die Möglichkeiten der Neuanschaffung täuschen lassen. Das 3,75 Millionen Euro teure Kleintier-MRT gehört zum Neuesten, was die Technik zu bieten hat. Ähnliche Geräte gibt es laut Institut derzeit in Ostdeutschland nur in Jena und Berlin.

Mit 9,4 Tesla ist etwa das Magnetfeld des Scanners 20.000-mal stärker als das der Erde. Verglichen mit einem älteren Vorgänger-MRT sind so fünffach genauere Messungen möglich, sagt Budinger. Damit lassen sich im Tierhirn Strukturen von nur 20 Mikrometern Größe erkennen. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist 30 bis 80 Mikrometer dick.

Anders als Röntgen-Geräte kommt das MRT dabei ohne Strahlung aus: Mittels seines Magnetfelds empfängt es stattdessen die Signale von Körpermolekülen. Beispiel: Dort, wo das Gehirn gerade besonders aktiv ist, laden rote Blutzellen Sauerstoff ab und verändern dabei ihre magnetischen Eigenschaften. Das kann man dann auf dem Bildschirm sehen, sagt Budinger. „Auf diese Weise können wir den untersuchten Tieren sogar beim Denken und Fühlen zuschauen.“

Der kranke Haushamster wird dabei allerdings nur in Ausnahmefällen in der Röhre liegen. Die Wissenschaftler forschen vor allem an Labormäusen und -ratten. Obwohl die Untersuchungen nicht invasiv – also ohne Eingriffe – erfolgen, gibt es hohe Auflagen. So erhalten die Tiere eine Narkose. Jeder Versuch wird einzeln beantragt, sagt Budinger.

Von ihrer Forschung erhoffen sich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse zur Behandlung neurologischer Erkrankungen beim Menschen wie Depressionen, Schizophrenie oder Parkinson. So hoffen sie, etwa Parkinson-Therapien, die das Gehirn mittels Elektroden stimulieren, deutlich wirksamer gestalten zu können.

Um Messungen wie diese zu ermöglichen, ist allerdings ein erheblicher technischer Aufwand nötig: So sind allein 70 Kilometer eines Supraleiters im Kleintier-MRT verbaut. Damit es reibungslos arbeitet, kühlen 800 Liter flüssiges Helium die Drähte aus Titan, Kupfer und Niob auf minus 270 Grad herunter.

Mit der Inbetriebnahme endet für Eike Budinger heute auch eine kleine Odyssee. Schon 2013 stand die Idee für das Gerät, erzählt er am Dienstag im Labor. 2016 gaben Land und EU schließlich die nötigen Fördergelder von drei Millionen Euro frei.

Als das fünf Tonnen schwere MRT im Dezember endlich kam, wäre sein Einbau fast noch am Platz gescheitert. „Um es in den Keller zu bekommen, mussten wir Türen herausreißen und Wände aufstemmen“, sagt Budinger – ein nervenaufreibender Tag für den Forscher. Doch der Aufwand hat sich gelohnt, sagt er. Schon am Wochenende stehen Untersuchungen an.