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Geblendet Wenn Laserpointer zur Waffe werden

Schon jetzt gibt es 2020 mehr Laserpointer-Angriffe als im vergangenen Jahr. Die Zahl stieg in Sachsen-Anhalt von acht auf zwölf.

Von Matthias Fricke 14.09.2020, 01:01

Magdeburg l Die Besatzung eines Polizeihubschraubers sucht am 28. Juli dieses Jahres gegen 22.15 Uhr in Halberstadt nach einer vermissten Person, als die Besatzung mit einem grünen Licht geblendet wird. Es ist einer von inzwischen zwölf solcher Angriffe in diesem Jahr in Sachsen-Anhalt. Der Co-Pilot gibt den Polizisten am Boden umgehend den Standort über Funk durch. Diese treffen in der Nähe einer Schule 14 Jugendliche im Alter zwischen 15 und 20 Jahren an. Sie äußern sich nicht, jedoch finden die Beamten einige Rucksäcke ganz in der Nähe.

Darin finden sie einen Laserpointer, der grünes Licht auswirft. „Weil wir davon ausgehen, dass es sich um das Tatmittel handelt, wurde der Laserpointer sichergestellt. Er wird aktuell auf DNA-Spuren untersucht“, sagt Nadine Sünnemann vom Polizeirevier in Halberstadt. Ermittelt wird wegen gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr. Sollten die Polizisten den Verursacher ermitteln, droht diesem eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren.

Solche Blendungen von Piloten sind kein Einzelfall. Erst am vergangenen Dienstag ist in Weißenfels (Burgenlandkreis)die Besatzung eines Rettungshubschraubers an einem Krankenhaus aus einer Gartenanlage heraus mit einem grünen Laserstrahl attackiert worden. Der Täter ist flüchtig.

Ende August musste eine Frachtmaschine am Flughafen Leipzig/Halle die Landung in den Nachtstunden abbrechen und erneut dazu ansetzen, weil der Pilot von einem Laserpointerstrahl am Boden geblendet wurde. Die Besatzung der Boeing 734 informierte die Deutsche Flugsicherung (DFS) und diese die Polizei.

Nach Angaben einer DFS-Sprecherin meldeten allein im Bereich des Flughafens Leipzig/Halle im vergangenen Jahr 26 Piloten verschiedenster Fluggesellschaften solche Blendungen. Im Vorjahr waren es 33, davor 21. Die Sprecherin zum Prozedere: „Wenn die Piloten von einem Lichtstrahl geblendet werden, melden sie das den Fluglotsen. Diese wiederum geben die Informationen an die Polizei umgehend weiter.“ In Deutschland wird aktuell täglich einmal eine Flugzeugbesatzung geblendet. Im Jahr 2012 waren es noch doppelt so viele. 63 Prozent der Angriffe erfolgen während des Anfluges.

In Sachsen-Anhalt registrierte die Polizei laut Landeskriminalamt (LKA) bis August bereits zwölf solcher Angriffe, das sind schon jetzt vier mehr als im gesamten Vorjahr. Insgesamt gab es rund einhundert Strafanzeigen wegen solcher Blendungen in den vergangenen fünf Jahren. Der Höhepunkt war laut LKA-Sprecher Michael Klocke im Jahr 2016 mit insgesamt 32 Fällen. Er sagt: „Auch in diesem Jahr sind die häufigsten Angriffe wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr angezeigt worden.“ Gefolgt werden diese Fälle von Körperverletzungen und Eingriffen in den Straßenverkehr.

Solche Blendungen, vor allem mit höherer Leistung, können für das Auge schwerwiegende Folgen haben. Professor Christian Vorwerk vom Augen-Medizinischen Versorgungszentrum in Magdeburg erklärt, dass das gebündelte Licht als sehr heller Strahl auf die Netzhaut trifft. Die Stelle an der Netzhaut für das schärfste Sehen ist die sogenannte Makula. „Ein Lichtstrahl, vor allem aus den stärkeren Laserpointern, richtet dabei irreversible Schäden an“, sagt der Mediziner. Auf der Makula könne eine Narbe entstehen, ähnlich wie ein Schweißpunkt. Dieser Schaden sorgt für eine massive Störung des zentralen Sehfeldes.

Bei Piloten oder Autofahrern haben solche Angriffe besonders nachts dramatische Folgen. Prof. Vorwerk: „Weil durch die Öffnung der Pupille in der Dunkelheit noch mehr Licht eindringt und man durch den überraschenden Lichtstrahl mit der Makula genauer hinsieht.“ Auch für Kinder seien solche Laserpointer besonders gefährlich, weil sie meist aus Unwissenheit direkt in den Lichtstrahl sehen.

Ein Verbot für den privaten Besitz von Hochleistungslaserpointern der Klassen 3 und 4 gibt es in Deutschland bislang noch nicht, so Dr. Hans-Joachim Krauß vom Bayerischen Laserzentrum. Nur der offizielle Handel damit ist untersagt. Im Ausland wird dies zum Teil schon schärfer geregelt. So ist es in der Schweiz seit dem vergangenen Jahr verboten solche Geräte zu besitzen, einzuführen oder zu verkaufen. Nur Laserpointer der Klasse 1 dürfen dort noch zu Präsentationszwecken ausschließlich in Innenräumen genutzt werden. Geräte der Klasse 2 haben noch eine Übergangsfrist bis Sommer 2021.