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Gefängnis Eine Frau steuert das Leben im Burger Knast

650 Insassen zählt das Gefängnis Burg bei Magdeburg - alles Männer. Geleitet wird die JVA von einer Frau. Ausgebrochen ist noch niemand.

Von Falk Heidel 10.01.2018, 14:15

Burg l Sie sind drei Meter hoch, die dicken Stahltüren im Flur der Burger Justizvollzugsanstalt. Der Durchgang vom Einlass zum Innenhof wird zweimal von diesen Türen unterbrochen. Erst wenn eine Tür geschlossen ist, öffnet der Pförtner per Summer die nächste.

Zuvor hat der Beamte dem Besucher Ausweis und Handy abgenommen. Der Innenhof ist von einem riesigen Stacheldrahtzaun umgeben, 4,50 Meter hoch. Erst dann folgt die große Außenmauer, die das Gefängnis-Areal wie ein Burgwall zu einer hochmodernen Festung macht. Kann ein Insasse hier ausbrechen wie jüngst in Berlin-Plötzensee? „Bisher ist dies noch nicht passiert“, erklärt Anstaltsleiterin Ulrike Hagemann. Sie steht auf der Magistrale, die die Hafthäuser verbindet – ein breiter Außenflur zwischen Mauer und Außengittern mit Blick auf den Innenhof: „Hier gibt es keinen Busch, keinen Winkel, der zum Versteck dienen könnte“, sagt die Frau, deren Alltag ein reiner Männerknast ist. Gut 650 Leute sitzen hier ein: Mörder, Vergewaltiger, aber auch Männer, die dutzendfach ohne Führerschein unterwegs waren.

Ihre Strafen reichen von zweieinhalb Jahren bis lebenslang. Ulrike Hagemann nennt sie „Langzeitler“, manchmal auch „schwere Jungs“. Und nein, „sie sitzen nicht in einer Zelle.“ Die Vollzugsbeamtin bezeichnet die Unterkünfte der Gefangenen als Hafträume. Elf Quadratmeter groß mit Bett für jeweils eine Person, davon zwei Quadratmeter Nassbereich. Um 21 Uhr rasten die Metallschlösser ein - Nachtruhe.

Einer dieser "schweren Jungs" in der JVA Burg, der Doppelmörder von Mansfeld, hat sich am 9. Januar im Gefängnis das Leben genommen.

Es gibt Leute, die seit 30 Jahren inhaftiert sind: „Die wurden bereits zu DDR-Zeiten verurteilt“, erzählt die Anstaltsleiterin. Der älteste ist über 80 Jahre: „Nicht wenige wollen gar nicht mehr raus, weil sie das Leben draußen überfordert.“

Und wenn einer doch will? Klammheimlich? „Dann hat er schlechte Karten“, sagt der Gefängnis-Sicherheitsbeamte. Seinen Namen will er auf keinen Fall in der Zeitung lesen.

In Berlin sind nach Weihnachten innerhalb weniger Tage neun Männer aus dem Gefängnis Plötzensee entkommen. So etwas hält Anstaltsleiterin Hagemann in Burg für „nahezu ausgeschlossen“. Plötzensee ist ein uraltes Stadtgefängnis, berühmt geworden durch Hinrichtungen zur Zeit des Nationalsozialismus. Hagemann: „Die Außenmauern der Hafträume grenzen direkt an die Straßen Berlins.“

Im Gegensatz dazu ist die Burger JVA ein Gefängnis nach neuesten Standards, eingeweiht 2009 auf der „grünen Wiese“ am Stadtrand. Auf der Flucht müsste der Gefangene zunächst seinen Haftraum verlassen, der nicht wie in Plötzensee aus alten Backsteinen besteht. Er müsste mehrere Stahltüren überwinden, ehe er an der frischen Luft ist. Hagemann: „Dann wäre er im Innenhof, der mit Stacheldrahtzaun und Außenmauer gesichert ist.“

Dennoch haben sich in der Gefängnisgeschichte drei Männer aus dem Staub gemacht. Passiert ist das in den Jahren 2013 bis 2016 bei sogenannten Ausführungen. Anlässe dafür sind Arztbesuche oder Beerdigungen in der Familie. Dann dürfen die Insassen von Beamten begleitet nach draußen. Hagemann zufolge waren alle drei Flüchtigen nach kurzer Zeit gefasst. „Jährlich gibt es rund 1000 solcher Ausführungen. Sie passieren nur dann, wenn es nötig ist oder es darum geht, einen Gefangenen langsam an Freiheit zu gewöhnen.“

Aus Sicht von Ulrike Hagemann gibt es noch einen weiteren Grund, der gegen Fluchtversuche in Burg spricht. In Plötzensee sitzen leichte Fälle. Unter anderem Menschen, die ihre Geldstrafe nicht zahlen konnten. Sie haben bei einem Ausbruch nichts zu verlieren, weil die Flucht ihre Haftzeit nicht verlängert. „Bei uns würde ein Insasse bei einem solchen Versuch sämtlich Hafterleichterungen verwirken.“

Gemeint ist der offene Vollzug. Wenige Leute gehen außerhalb der Gefängnismauern einer Arbeit nach. In Burg sind es fünf. Hagemann: „Um dahin zu kommen, werden sie von uns intensiv erprobt. Nur wer zuverlässig ist, schafft es in den offenen Vollzug.“ Doch schon die kleinste Menge Alkohol oder eine verspätete Rückkehr können dazu führen, dass ein Gefangener in den geschlossenen Vollzug verlegt wird: „Da sind wir sehr streng. Da ist einem Insassen mal eine Schwarzwälder Kirschtorte mit Eierlikör zum Verhängnis geworden.“

In Burg gibt es drei Gebäudekomplexe für die Unterbringung der unterschiedlichen Haftformen von Untersuchungshaft über Strafvollzug und Sicherheitsverwahrung. 340 Beschäftigte zwischen Vollzugsbeamten und Verwaltern kümmern sich um den Alltag des Komplexes, der wie ein kleines Dorf funktioniert. Inklusive Küche, die von Insassen geführt wird, und Werkstätten für die Berufsausbildung der jungen Männer, die hinter den drei Meter hohen Stahltüren leben.