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Gewerkschaftsbund Altersarmut-Risiko in Sachsen-Anhalt steigt

In Sachsen-Anhalt beziehen besonders viele Arbeitnehmer Mindestlohn. Sie seien als Rentner von Altersarmut gefährdet, warnen Gewerkschafter.

Von Alexander Walter 23.08.2017, 17:50

Magdeburg l Neurentner in Sachsen-Anhalt bekommen heute oft weniger als diejenigen, die bereits im Ruhestand sind. So erhielten männliche Renteneinsteiger zwischen Arendsee und Zeitz 2015 im Schnitt 965 Euro im ersten Monat und damit 150 Euro weniger als Männer, die schon im Ruhestand waren (1115 Euro).

Auch bei den Renten für Menschen, die etwa aus gesundheitlichen Gründen nur eingeschränkt arbeiten konnten (Erwerbsminderungsrente), zeige die Kurve nach unten, sagte Susanne Wiedemeyer, stellvertretende Bezirksvorsitzende, am Mittwoch bei der Vorstellung der Zahlen zum DGB-Rentenreport für Sachsen-Anhalt. Nur weibliche Neurentner erhielten acht Euro mehr als Frauen, die schon im Ruhestand waren.

Sinkende Bezüge sind nicht das einzige Problem, vor dem der DGB warnt. Ein weiteres ist die Nichtberücksichtigung der Inflation bei der Rentenberechnung. So ist die Rente eines männlichen Ruheständlers zwischen 2000 und 2015 zwar nominal von 1034 auf 1115 Euro gestiegen. Berücksichtigt man gestiegene Preise für Lebensmittel, Mieten oder Kraftstoff, ergibt sich allerdings ein Kaufkraftverlust von 26 Prozent. Männliche Rentner hatten damit 2015 im Schnitt trotz höherer Bezüge effektiv 187 Euro weniger in der Tasche als noch im Jahr 2000.

Parallel dazu drohen immer mehr Neurentner unter die Schwelle zu fallen, ab der sie als armutsgefährdet gelten. Diese lag zuletzt bei 942 Euro im Monat. 2015 erhielt fast die Hälfte der männlichen und nahezu zwei Drittel der weiblichen Neurentner 900 Euro oder weniger ausgezahlt.

Der Anteil armutsgefährdeter Rentner im Land steigt damit laut DGB auch insgesamt. Er hat in den vergangenen zehn Jahren von 12 auf 17 Prozent zugenommen. „Wir haben schon vor zehn Jahren vor Altersarmut gewarnt“, sagte Susanne Wiedemeyer zu den Ergebnissen.

Die Entwicklung hält die DGB-Frau auch deshalb für fatal, weil Arbeitnehmer in Sachsen-Anhalt überdurchschnittlich häufig ausschließlich auf die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) als Altersvorsorge setzen. 97 Prozent der Renteneinkünfte im Land stammen demnach aus den GRV. Zum Vergleich: Bundesweit liegt der Anteil nur bei 74 Prozent.

Hauptgründe für die steigende Armutsgefährdung sind aus Sicht des DGB Brüche im Erwerbsverlauf etwa durch Arbeitslosigkeit, die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse sowie niedrige Löhne. Letztere seien in Sachsen-Anhalt besonders häufig. „Ein Viertel der Arbeitnehmer im Land erhält nur den Mindestlohn“, sagte Wiedemeyer. Die stellvertretende DGB-Bezirksvorsitzende forderte Politik und Wirtschaft auf, die Zahlung von Tariflöhnen zu forcieren und für mehr reguläre Beschäftigung zu sorgen.

Der DGB als Dachorganisation der Gewerkschaften steht mit seiner Warnung nicht allein. Bereits im Juni hatte die Bertelsmann-Stiftung prognostiziert: In zehn Jahren werde ohne eine umfassende Rentenreform jedem dritten Neurentner in Sachsen-Anhalt die Altersarmut drohen.  Ostdeutschlandweit könnte die Quote demnach bis 2036 auf 36 Prozent steigen. Während der DGB als Gegenmaßnahme unter anderem ein stabiles Rentenniveau fordert, sehen die Experten der Bertelsmann-Stiftung das skeptisch. Das würde die Altersarmut nur geringfügig dämpfen, hieß es.

Altersarmut ist bereits jetzt in Sachsen-Anhalt Realität. Als betroffen gilt, wer auf die Grundsicherung des Staates angewiesen ist. Bei rund 700.000 Rentnern waren das zuletzt etwa 8000 Männer und Frauen.