Selbstbestimmt Leben Assistenz ja - Bemuttern nein: Goseckerin mit Behinderung sucht nach Helfern
Nicole Rodegast ist körperlich behindert und sucht Menschen, die ihr im Alltag helfen. Sie möchte aber weiter selbstbestimmt leben.

Goseck/MZ - Nicole Rodegast ist ein lebensbejahender Mensch. Die 38-Jährige aus Goseck liebt es, Schmuck aus Perlen anzufertigen, geht in ihrer Arbeit im Studentensekretariat an der Uni in Halle auf und sie besucht gern Veranstaltungen.
Wendepunkt in ihrem Leben: Goseckerin sucht nach Hilfe
Sie wollte sich nie auf den Rollstuhl, in dem sie sitzt, reduzieren lassen und das ist ihr mit ihrer Willenskraft und der Hilfe ihrer Mutter Kerstin bis jetzt auch immer gelungen. Doch nun deutet sich ein Wendepunkt in ihrem Leben an: Die sympathische Frau mit dem Pferdeschwanz braucht jetzt mehr Hilfe. Sie benötigt Assistentinnen, die ihr im wahrsten Wortsinn Arme und Beine leihen.
Nicole Rodegast ist nämlich zunehmend auf die Muskelkraft anderer angewiesen, denn ihre Krankheit, die spinale Muskelatrophie, schreitet fort und verursacht zunehmend Muskelschwund und Lähmungen. Nicht zuletzt möchte sie auch ihre Mutter entlasten. „Sie wird langsam älter und ich auch“, sagt die zierliche Frau. Weil die Unterstützung auch in den intimen Bereich gehe, wünscht sie sich eine Unterstützung durch Frauen.
Bemuttern verboten: Goseckerin will trotz Unterstützung selbstbestimmt leben
Hilfe bräuchte sie beispielsweise im Haushalt, wenn sie es körperlich nicht schafft, Staub zu saugen, zu kochen, oder auch wenn sie beim An- und Auskleiden Probleme hat. Und da sind noch ihre geliebten zwei Katzen, die sie, so weit es geht, selbst umsorgt. Wenn sie aber einen Krankheitsschub hat, könne auch das schwierig werden. Aber gerade eben diese augenscheinlich belanglosen Aufgaben sind ein ganz wichtiger Teil ihres selbstbestimmten Lebens, sagt sie.
Sie möchte diese Arbeiten, so lange es noch möglich ist, selbst erledigen. Bemuttern lassen möchte sie sich auf gar keinen Fall. Dennoch möchte Nicole Rodegast zukünftig Menschen in ihrem Umfeld wissen, die ihr helfen, wenn es eben an manchen Tagen erforderlich ist. Die Weichen dafür haben jetzt das Sozialamt und das Integrationsamt des Burgenlandkreises gestellt, indem sie Nicole Rodegast ein sogenanntes trägerübergreifendes finanzielles Budget bewilligt haben.
„Es wird erst einmal schon eine Gratwanderung“
Eine Bezahlung der Assistenzen ist dadurch gewährleistet. Für die Frau ist das ein Meilenstein. Nicole Rodegast kann nun nämlich ab November tatsächlich selber Menschen einstellen, die sie unterstützen. Gezahlt werde ein Stundenlohn von zwölf Euro. Optimal wäre ein mehrköpfiges Team, dessen Mitglieder sich beim Dienst abwechseln.
Mit ihnen könnten dann auch Ausfälle, wie sie durch Krankheit oder Urlaub geschehen, abgefedert werden und das erst einmal auch nur tagsüber. Abends und nachts sei ihre Mutter weiter für sie da. Sie selber ist gespannt, wie sich das Verhältnis zwischen ihr und ihren möglichen Helfern entwickelt. Denn die Assistentinnen sind zwar bei ihr, aber sie helfen erst, wenn sie selbst darum bitte. „Es wird erst einmal schon eine Gratwanderung“, sagt sie.
Keine Berufsausbildung, medizinische oder pflegerische Kenntnisse erforderlich
Was der Goseckerin ganz wichtig ist, dass die Personen während der Zeit, in der sie nicht benötigt würden, ein Buch lesen oder beispielsweise auch ihren eigenen Papierkram erledigen können. So würde eine Wohlfühlsituation für beide Seiten entstehen. Daher hebt sie auch hervor, dass auf ihrer Arbeit und auch in ihrem Zuhause genug Räume vorhanden seien.
Sie macht Interessierten Mut, sich zu melden und sie sagt auch, dass für die anstehenden Aufgaben keine Berufsausbildung, medizinische oder pflegerische Kenntnisse erforderlich seien. Freundlich sollten die Menschen sein und mit der Zeit auch ruhig ein Gefühl dafür entwickeln, wann sie sich zurücknehmen können und wann ihre Hilfe gebraucht werde. „Dieses Miteinander, das muss wachsen“, sagt Nicole Rodegast.
Kontakt zu Nicole Rodegast per E-Mail: assistenz.blk@web.de, Tel.0173/9069757