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Güssau-Affäre Ein Lehrer muss nachsitzen

Wenn Landtagspräsident Güssau die Koalition mit seiner Erklärung zur Briefwahlaffäre nicht überzeugen kann, droht ihm ein Abwahlverfahren.

02.08.2016, 23:01

Magdeburg l Es werden die Tage der Wahrheit. Am Donnerstag und Freitag will Landtagspräsident Hardy Peter Güssau (CDU) auf den Sondersitzungen von CDU, SPD und Grünen seine Rolle bei der Stendaler Briefwahlaffäre erklären. Nachsitzen für den Lehrer aus Stendal. Das werden schwere Stunden für Hardy Peter Güssau. Denn sein Auftreten löst bei vielen Abgeordneten bislang vor allem eines aus: Kopfschütteln.

Vor einer Woche hatte die Volksstimme aufgedeckt, dass der CDU-Politiker versucht hat, bei der Stendaler Briefwahlaffäre im Frühsommer 2014 eine Wiederholung der Stadtratswahl und eine Strafanzeige zu verhindern. Dies belegt insbesondere der Mail-Verkehr, der nach Hausdurchsuchungen bei lokalen CDU-Vertretern sichergestellt wurde.

Nun sind viele seiner CDU-Freunde irritiert. Öffentlich will sich keiner vor der Fraktionssitzung am Donnerstag äußern. Doch hinter vorgehaltener Hand fällt häufig die Frage: „Was will er da eigentlich noch erklären?“ Mit jeder Einlassung könne er sich nur noch mehr in Schwierigkeiten bringen, sagt einer. Der Glaube daran, dass Güssau die Vorwürfe entkräften kann, ist selbst in den eigenen Reihen gering. Auch Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) macht jetzt Druck. Alle hätten ein Interesse daran, dass sich bestimmte Probleme so schnell wie möglich auflösten, sagt er.

Mit einem raschen Rücktritt Güssaus rechnen trotzdem die wenigsten. Der Altmärker gilt als äußerst selbstbewusst. Bei der CDU heißt es, im Zweifel werde er es wohl auf ein Abwahlverfahren ankommen lassen. Doch dafür gibt es hohe Hürden. Im Landtag sind 44 von 87 Stimmen notwendig, um ein Abwahlverfahren in Gang zu setzen. Um Güssau abzuwählen, müssten zwei Drittel der Abgeordneten gegen ihn stimmen (58). Die Opposition hat 41 Stimmen (AfD: 25, Linke: 16), die SPD elf, die Grünen fünf – macht insgesamt 57.

Dass mindestens einer der 30 CDU-Abgeordneten gegen Güssau stimmen würde, gilt als wahrscheinlich. Besonders die Abgeordneten aus dem Süden des Landes fühlen sich in der neuen Landesregierung unterrepräsentiert. Für sie wäre die Neubesetzung des Amtes eine Chance, an Einfluss zu gewinnen. Schon jetzt wird Eva Feußner (Eckartsberga) als mögliche Nachfolgerin gehandelt. Gegen Feußner hatte sich Güssau im März bei einer fraktionsinternen Abstimmung zur Nominierung des Landtagspräsidenten-Kandidaten durchgesetzt (17 zu acht Stimmen). Im Landtag war Güssau im April mit 47 Ja-Stimmen auf den Chefsessel gewählt worden. 35 Parlamentarier votierten damals gegen ihn, fünf enthielten sich.

Ob es tatsächlich zu einem Abwahlverfahren kommt, liegt wohl vor allem in den Händen von SPD und Grünen. Entkräftet er die Vorwürfe bis Freitag nicht, sei er in seinem Amt als „Hüter der Demokratie“ nicht länger tragbar, heißt es dort. Wenn er das nicht selbst erkenne und zurücktrete, müsse man mit einer Abwahl eben die „schlechteste aller Lösungen“ einleiten.