1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Hanomag-Flunder gibt wieder Gas

Rennwagen Hanomag-Flunder gibt wieder Gas

Hanomags Diesel-Rennwagen brach in den 1930er Jahren Weltrekorde. Tüftler bauten ihn nach - in Dessau geht er jetzt an den Start.

Von Ralf E. Krüger 18.04.2019, 23:01

Dessau/ Hannover (dpa) l Neustart für einen Rekordwagen: Nach zwölfjähriger Arbeit präsentiert sich der Nachbau eines historischen Diesel-Weltrekordautos der Hannoveraner Firma Hanomag blitzblank herausgeputzt.

In der Frühlingssonne wartet der stromlinienförmige Aluminium-Flitzer im niedersächsischen Bockenem-Störy auf seinen großen Auftritt.

„Am 12. Mai wollen wir ihn auf der historischen Rennstrecke präsentieren“, sagt Horst-Dieter Görg vom Verein Hanomag IG. Das Original fuhr am 8. Februar 1939 auf der Autobahn bei Dessau in Sachsen-Anhalt – der heutigen A 9 – vier Weltrekorde und galt als technischer Wegbereiter. Zum 80. Jahrestag der Rekordstrecke mit ihren Stahlbrücken im Bauhaus-Stil geht nun die Replika an den Start. Vom 10. bis 12. Mai wird in Dessau zu Ehren der A-9-Rennstrecke ein großes Fest gefeiert (Infokasten).

Die Erstfahrt des flunderflachen, glänzenden Nachbaus ist der krönende Abschluss eines Technik-Abenteuers, das 2007 mit dem Kauf eines historischen Fahrgestells bei einem Sammler in Aachen begann. Görg und seine Freunde trugen danach aus allen Teilen der Republik Getriebe, Chassis, Motorblock und andere mechanische Teile zusammen – die Technik des silbern glänzenden Nachbaus besteht bis auf den Kühler weitgehend aus Originalteilen.

Denn der Rekordwagen basierte auf damaliger Serientechnik. Drei Jahre kostete allein die Suche nach einem Motor. Als er dann bei einem Sammler in Mettmann bei Düsseldorf gefunden wurde, nahm das Projekt Fahrt auf.

„Nach nur zweistündiger Wartung lief er tadellos und qualmte die ganze Halle ein“, erinnert sich der Betriebswirt, der Anfang der 1980er Jahre bei der Auflösung der Traditionsfirma Hanomag historische Blaupausen des Wagens in einem Abfall-Container fand. Immer wieder ruhten die Arbeiten – oft fehlten Sponsorengelder. Doch Görg und seine Freunde im Arbeitskreis Technik- und Industriegeschichte (AK TIG) gaben nicht auf. Im Gegenteil: Für die vielen Handwerkerrechnungen nahmen sie einen Kredit von mehr als 40.000 Euro aus. Ohne ehrenamtliche Helfer lägen die Kosten vermutlich deutlich höher.

Das später im Zweiten Weltkrieg zerstörte Originalfahrzeug mit seiner Aluminiumhülle gilt als Meilenstein deutscher Technikgeschichte. Beim Weltrekord kam es mit seinem Klein-Diesel auf eine Geschwindigkeit von 165 Stundenkilometern. Das Nachbau-Projekt versteht sich als Hommage an Rudolf Diesel und auch Hanomags damaligen Chefkonstrukteur Lazar Schargorodsky. Lange bevor der Diesel durch Abgas-Manipulationen in Verruf geriet, setzte Schargorodsky vor gut 75 Jahren seine Klein-Diesel auch bei Personenwagen ein. Davor fanden sie vor allem bei Lastern oder Traktoren Verwendung.

„Der Nachbau hat uns mit allen Arbeitsleistungen gut 260.000 Euro gekostet – aber sein Wert ist bei weitem höher“, meint Görg. Für ihn endet das Abenteuer nicht mit der Fertigstellung – er sieht es eher als eine Art ersten Meilenstein: „Unser Ziel ist eine Art Technik-Museum für Niedersachsen.“ Dort könnte nicht nur der Rekord-Diesel seinen Platz finden, sondern auch das nächste Projekt, dass der Verein bereits im Visier hat: den Nachbau des von Hanomag gebauten ersten dampfgetriebenen Lastwagens aus dem Jahre 1905.

Sein Konstrukteur war der Berliner Ingenieur Peter Stolz. „Wir haben alle Baupläne – und auch eine Sponsoren-Zusage der Konstanzer Brauerei, die den Wagen damals als Lieferwagen bestellt hat.“ Die Brauerei hat sich bereiterklärt, die Kosten für alle originalgetreuen Aufbauten der dampfgetriebenen Bierkutsche zu übernehmen. Wer die Kosten für die vielen anderen Bauteile übernimmt, ist noch unklar.