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Jahresbericht des Fehlbildungsmonitorings an der Universitätsklinik Magdeburg / Risiko durch Folsäure minimierbar Herzfehler bei Neugeborenen am häufigsten - Ursachen unklar

Von Silke Janko 07.12.2012, 02:20

Magdeburg l Fehlbildungen am Herzen gehören zu den häufigsten Erkrankungen von Neugeborenen in Sachsen-Anhalt. Das geht aus dem jüngsten Jahresbericht des Fehlbildungsmonitorings Sachsen-Anhalt hervor. Danach ist jede 33. Schwangerschaft von einer Fehlbildung betroffen.

Die vom Sozialministerium finanzierte Einrichtung an der Medizinischen Fakultät der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität erfasst seit dem Jahr 2000 anonym die Daten aus allen 27 Geburtskliniken des Landes. Dazu gehören auch die Daten von Totgeburten, medizinisch induzierte Schwangerschaftsunterbrechungen sowie alle Fehlgeburten nach der 16. Schwangerschaftswoche - ca. 17000 Datensätze pro Jahr. Neben einer Arbeitsgruppe der Universitätsklinik Mainz, die jährlich rund 3000 Daten aus den Geburtskliniken der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt auswertet, ist die Magdeburger Einrichtung einzigartig in Deutschland, weil sie flächendeckend alle Geburten erfasst: Hauptsächliches Anliegen ist es, Fehlbildungen verhindern zu helfen, die an zweiter Stelle der Säuglingssterblichkeit stehen.

Oftmals keine Erklärung für Krankheitsbilder

Heute ist bekannt, dass neben Virusinfektionen, radioaktiver Strahlung, Medikamenten, chronischen Erkrankungen der Mutter, aber auch Tabakqualm und Alkohol Erkrankungen beim Kind im Mutterleib auslösen können. Hätte es beispielsweise schon in den 50er Jahren solch ein Register in der Bundesrepublik gegeben, hätte das Ausmaß der Contergan-Affäre vermutlich begrenzt werden können. Bis in die 60er Jahre waren schätzungsweise 7000 Kinder mit schweren Fehlbildungen an Armen und Beinen geboren worden, weil deren Mütter das Schlaf- und Beruhigungsmittel (Wirkstoff Thalidomid) eingenommen hatten.

Im Jahr 2011 wurden zwischen Arendsee und Zeitz 16989 Geburten registriert: 16837 Neugeborene, 69 Totgeburten, 25 Fehlgeburten und 58 medizinisch empfohlene Schwangerschaftsunterbrechungen. Nach den Herzfehlern gehören zu den häufigsten Einzeldiagnosen Defekte am Nieren- und Harnleitersystem, das Down-Syndrom (Trisomie 21) und der Klumpfuß. "Eine sichere Erklärung dafür haben wir nicht", erklärt Dr. Anke Rißmann, Leiterin des Fehlbildungsmonitorings. Die Werte schwanken über die Jahre erheblich, so dass nach den angeborenen Herzfehlern immer wieder andere Erkrankungen in den Blickpunkt treten.

In absoluten Zahlen handelt es sich bei jeder der 36 erfassten Fehlbildungen beziehungsweise genetischen Erkrankungen nur um wenige betroffene Kinder: Die Wissenschaftler des Registers horchen vor allem dann auf, wenn die Daten einen Mittelwert vergangener Jahre überschreiten. Auffällig war im vergangenen Jahr beispielsweise ein Anstieg der "Potter-Sequenz". Ein multiples Krankheitsbild, das hauptsächlich durch Fehlen oder starke Unterentwicklung der Nieren gekennzeichnet ist. In Sachsen-Anhalt wurden vier Fälle gemeldet, allein für Magdeburg zwei. Ein Kind kam tot zur Welt, ein weiteres Kind starb innerhalb der ersten sieben Tage nach der Geburt, zwei Schwangerschaften wurden unterbrochen. Im Vergleich zu den Daten von EUROCAT, der Vereinigung der Fehlbildungsregister Europas, zeigten die Werte eine leichte Erhöhung oberhalb der Mittelwerte. Die Mediziner um Anke Rißmann haben daraufhin im "Ärzteblatt" auf die Wirkung von Sartanen, blutdrucksenkenden Medikamenten, hingewiesen, die für das Kind im Mutterleib, vor allem im letzten Schwangerschaftsdrittel, schwere Nebenwirkungen hat. Die Schwangeren waren wegen Bluthochdrucks mit diesen Medikamenten behandelt worden.

Signifikanter Anstieg bei zwei Erkrankungen

Das Magdeburger Register hat in seinem jüngsten Bericht auch einen 12-Jahres-Trend der wichtigsten 36 Fehlbildungen ermittelt: Danach liegen die meisten Erkrankungen unter denen der langjährigen Mittelwerte. Bei zwei Erkrankungen gibt es allerdings einen signifikanten Anstieg: der Verengung der Hauptschlagader in Herznähe (Aortenisthmusstenose) und Fehlbildungen am Enddarm (der Rectum- und Analatresie/-stenose). Beide Erkrankungen sind operativ behandelbar. "Wir sind am Suchen nach Erklärungen, warum es über einen längeren Zeitraum einen Anstieg gab", so die Kinderärztin und Nierenspezialistin. Möglich sei, dass bestimmte Risikofaktoren eine Rolle spielen. Beispielsweise, wenn werdende Mütter rauchen. Auch Übergewicht ist ein Risikofaktor. Ebenso der Trend zu frühen Schwangerschaften im Teenageralter könnte einen Einfluss gehabt haben.

Die Medizinerin weist vor diesem Hintergrund darauf hin, dass das Risiko für schwerwiegende Fehlbildungen am zentralen Nervensystem (sogenannte Neuralrohrdefekte, zum Beispiel offener Rücken) durch die Einnahme von Folsäure wesentlich minimiert werden kann. Das Fehlbildungsregister hat dazu in den vergangenen Jahren viel Aufklärungsarbeit betrieben. Das Vitamin soll vier Wochen vor Schwangerschaftsbeginn bis in die ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft eingenommen werden: Vielfach sei der optimale Zeitraum der Einnahme nicht bekannt, so dass die positiven Effekte nicht wirken könnten.