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Hochhäuser Die böse Seite vom Bauhaus

Bauhaus ist im Fernseh-Feuilleton grundsätzlich gut. Und doch mogelt sich eine vernichtende Bauhaus-Kritik in das Programm.

Von Alois Kösters 23.02.2019, 00:01

Dessau l Eiskalte Wirtschaftskriminelle, gewissenlose Chefärzte und korrupte Politiker residieren in abweisenden Bauhaus-Villen mit automatischen Toren. Sie lagern auf stählernen Möbeln und balancieren über Treppen ohne Geländer. Verkommene Junkies und üble Messerstecher hausen in Hochhauszeilen. Das Grauen nistet hinter Laubengängen wie sie an der Peterholzstraße in Dessau zu besichtigen sind.
Egal ob Berlin, Köln oder München: In der Totalen sind solche Hochhaus-Ensembles immer das Signal für Elend und Gewalt. Die Guten leben in gemütlich-unaufgeräumten Altbauwohnungen und Backsteinvillen. Warum passt das Böse zum Bauhaus? Was ist schief gelaufen in der Tradition?
Dabei hat es Anfang des vorigen Jahrhunderts so gut angefangen. Gartenstädte, die auch den unteren Schichten Licht und Luft brachten. Entworfen nach menschlichen Maß und mit dem Ziel dem Einzelnen so viel Freiheit und Selbstbestimmung zu geben wie möglich. Bruno Taut entwarf „Grünau“ in Berlin und Magdeburg Reform. Wir sehen repräsentative Bauten, die sich auch heute noch neben Kathredalen und Schlössern behaupten können. Die Stadthalle in Magdeburg wird auch in 100 Jahren noch bewundert werden.
Die ersten Hochhäuser wie 1932 das Fabersche an der Bahnhofstraße in Magdeburg, am Sitz der Volksstimme, zeugen von der Begeisterung für neue Bautechniken. Die bunte Stadt Magdeburg ist Ausdruck für die Freiheit, Verspieltheit und Respektlosigkeit dieser frühen Jahre.
Auch Neuinterpretationen der Villa aus der damaligen Zeit begeistern noch heute. Das waren keine öden Kuben mit schmalen Fensterbändern. Hans Sharouns Haus Schminke im sächsischen Löbau mit seiner geschwungenen Reling so fein eingebettet in die Landschaft ist ein kunstvoll komponiertes Einzelstück. Was ist dann passiert?
Der Bauhaus-Irrsinn war auf dem Höhepunkt, als in den 1950er Jahren Superstars der Bauhaus-Architektur wie Walter Gropius, Le Corbusier, Alvar Aalto, Johannes Hendrik van der Brook, Jacob Berend Bakema oder Pierre Vago in Berlin zusammenkamen und auf vollständig geräumtem Terrain ein neues Stadtviertel errichteten.
„Leicht, heiter, wohnlich, festlich, farbig, strahlend, geborgen“ sollte es werden. Herausgekommen ist eine Ansammlung von Hochhaus-Zeilen mit genormten Sozialwohnungen. Ein Banlieue mitten in Berlin. Und wie in Paris oder Marseille reine Schlafstädte bar jeder Urbanität, die Cafés, Gewerbe und eines gemischten Publikums bedurft hätte.
Heute sind der Wohnungsmangel und die unzweifelhaft gute Lage des Hansaviertels die einzigen Gründe dafür, dass die Berliner sich mit dieser Zumutung arrangiert haben.
Überall in Deutschland entstanden solche Viertel. Ganze Städte gingen unter. In Gießen räumten Bauhaus-Architekten alles aus und schufen eine trostlose „Autostadt“. In Kassel kamen nach den Bomben die Architekten der Bauhaus-Architektur und vollendeten das Werk der Alliierten.
Frankfurt am Main ist erst kürzlich mit der Eröffnung einer neuen Altstadt geheilt worden.
Im Osten wurde Walter Gropius´ Ideal der seriellen Bauweise vollendet umgesetzt. Halle-Neustadt ist allerdings aus guten Gründen nicht in die „Tour der Moderne“, die für Bauhaus werben soll, aufgenommen worden. Wie konnte es soweit kommen?
Eigentlich hat alles ganz sachte begonnen. Am besten kann man die Entwicklung in Weimar nachvollziehen. Der Belgier Henry van de Velde war dort bis 1915 Direktor der Kunstgewerbeschule. Er war Maler und Architekt. Ihm ist es wie vielen Architekten in den USA und Europa gelungen, sich allmählich von der überladenen Ornamentik des Jugendstils zu lösen und trotzdem schöne Gebäude wie die Bauhaus-Universität in Weimar oder das Nietzsche-Archiv zu bauen.
Sein Bücherturm in Gent von 1932 erinnert an den Turm von Albin Müller in Magdeburg. Diese Architekten standen in einer Tradition.
Die beiden Weltkriege sind schuld. Schon der erste hat ein weltanschauliches Vakuum hinterlassen. Und viel Angst. Gute Zeiten für Prediger wie Johannes Itten, der in Mönchskutte durchs Bauhaus spukte.Aus Architektur wurde schon mal das „Sinnbild eines neuen kommenden Glaubens“. Und die ganze Menschheit zum Laboratorium. „Vor der Maschine sind alle Menschen gleich“, sagte der Künstler Lazlo Moholy-Nagy und warf sich passend in Monteurskluft. Niemand lachte.
Die meinten es ernst. Walter Gropius wollte Wohnhäuser fabrikmäßig herstellen. Vielleicht auch nur, weil er nicht zeichnen konnte. Nicht einmal die einfachsten Dinge brachte er zustande, hieß es. Das Architekturstudium musste er abbrechen. Niemals hätte er Entwürfe machen können wie ein Henry van de Velde.
Mit Sendungsbewusstsein, Charisma und talentierten Zeichnern an seiner Seite wurde er trotzdem der „Papst“ unter den Architekten. In Westdeutschland avancierte der in den USA zum Star-Architekten aufgestiegene zum Maß aller Dinge für orientierungslose Jungarchitekten und Sozialdemokraten, die noch den alten Traum von einer ganz neuen Zeit träumten.
Im Osten gab es mit dem Prachtboulevard in „Stalin-Gotik“ immerhin den Versuch eines Gegenentwurfs. Aber Schmalhans war meistens Küchenmeister. Die Platte und der Abriss waren auch hier Anworten auf eine heillose Vergangenheit. Die in Beton gegossene Ideologie, der Glaube vom Glück der vielen Gleichen in der normierten Wohnzelle, dem einst nur eine abgehobene Elite in Dessau anhing, hatte die Welt erobert und vor allem Deutschland. Denn dort wurden dringend neue Ideologien gebraucht. Dabei waren sie in den 50ern schon so veraltet wie die Grundrisse des Architekten Gropius.
Aber der Kaiser hat ja gar nichts an! Das hat zuallererst der Journalist Wolf Jobst Siedler gesagt. Am Anfang ein Anhänger des neuen Bauens. Dann beschrieb er das, was vielen schon schwante: Das Verlöschen des eigentlich Städtischen und des emotionalen Stadterlebnisses.Kurz: In jeder italienischen Kleinstadt lebte es sich besser als im öden Hansaviertel Berlins.
1963 galt er nach seinem Buch „Die gemordete Stadt“ vielen Architekten und Städteplanern als reaktionär. Noch in der 70ern türmten sie Wohngebirge wie das Pallasseum in Tempelhof-Schöneberg auf. Auch der „Sozialpalast“ ist heute ein Denkmal.
Gut dass der Spuk vorbei war, als die Mauer fiel. Schon in den achtziger Jahren hatte man begonnen, sich wieder an alte Tugenden des Städtbaus zu erinnern. Ganz sicher: Gropius hätte aus Berlin ein neues Brasilia geformt.
Das Bauhaus wird 100 Jahre alt. Auf der großen Volksstimme-Themenseite gibt es Geschichten und Termine rund ums Jubiläum und wo Bauhaus den Menschen in Sachsen-Anhalt heute noch begegnet. Themenseite: 100 Jahre Bauhaus