Landtag befasst sich mit der Flucht von Silvio Titsch Justizministerin Kolb gerät zunehmend unter Druck
Angesichts der schlimmen Pannen bei der Flucht des Schwerverbrechers Silvio Titsch gerät Sachsen-Anhalts Justizministerin Angela Kolb (SPD) unter politischen Druck. Am 7. September wird sich der Rechtsausschuss des Landtags mit den Vorgängen befassen.
Magdeburg l In den Koalitionsfraktionen von CDU und SPD hat sich in den zurückliegenden Wochen viel Unmut angestaut. Der Ärger beruht auf den abenteuerlichen Umständen der Flucht von Silvio Titsch und dem Agieren von Justizministerin Kolb nach den Vorfällen. Vor allem in der Union brodelt es gewaltig. CDU-Rechtspolitiker Siegfried Borgward wirft der Ministerin "unprofessionelles Handeln" vor. Ein anderer Parlamentarier kritisiert eine "Salamitaktik" in der Informationspolitik. Borgward sagt: "Frau Kolb hat keine Linie."
Die Ministerin hatte nach der Flucht von Titsch zunächst versucht, die Vorkommnisse zu verharmlosen. Dann war sie tagelang abgetaucht und überraschte die Parlamentarier schließlich mit der Flucht nach vorn - indem sie plötzlich die Regeln für Hafterleichterungen drastisch verschärfte.
Diese Kehrtwende sorgt im Landtag für Erstaunen - auch bei Sozialdemokraten. SPD-Rechtspolitiker Ronald Brachmann sagt kühl: "Ich nehme das zur Kenntnis. Mit der Fraktion war das nicht abgestimmt." Ein Genosse, der nicht genannt werden will, sagt: "Frau Kolb hat mehrfach politisch unglücklich agiert."
Im Landtag wird erzählt, dass die Ministerin mit dem Rücken zur Wand stehe und einen Befreiungsschlag versucht habe. CDU-Mann Borgward sagt: "Ich halte das Krisenmanagement für optimierbar - um es höflich zu sagen." Andere in der CDU halten das Agieren von Kolb schlichtweg für "fatal". Hinter vorgehaltener Hand heißt es: "Frau Kolb steht unter enormem Druck."
In der Union wird kritisiert, dass der Schwerverbrecher Titsch (er sitzt noch bis 2024 in Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung) schon nach recht kurzer Zeit Hafterleichterungen erhielt. Ralf Wunschinski (CDU), Vorsitzender des Rechtsausschusses, hält sich in der Bewertung von Kolbs Agieren zurück. Er fasst aber die in weiten Teilen der CDU vorherrschende Stimmung so zusammen: "Warum gibt man solchen Leuten diese Privilegien? Warum muss man so früh mit der Resozialisierung beginnen?" Wunschinski verlangt bei künftigen Ausgängen den Einsatz von elektronischen Fußfesseln: "Die stören nicht, wenn jemand mit seinem Kind mit Legosteinen spielt."
Am 7. September erwarten die Parlamentarier im Rechtsausschuss Antworten der Ministerin auf drängende Fragen zur Zukunft des Strafvollzugs. Auch die Opposition. Linke-Rechtspolitikern Eva von Angern fordert "größtmögliche Transparenz", denn: "Wir haben es mit einem heiklen Thema zu tun." Seiten 3 und 4