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Kenia-Koalition Streit über Feststellung des Alters

Sachsen-Anhalts Landtag hat über die Altersfeststellung bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen debattiert und das sorgt für Streit.

Von Michael Bock 10.03.2018, 00:01

Magdeburg l Die AfD macht im Parlament erneut Druck beim Thema „Altersfeststellung“. Sie dringt darauf, dass Jugendämter „regelmäßig eine ärztliche Untersuchung veranlassen“, um das Alter junger Flüchtlinge feststellen zu lassen. Im Antrag heißt es: „Nur wenn Zweifel am tatsächlichen Alter soweit als möglich ausgeräumt sind, können der teure Missbrauch des besonderen Schutzrechts der Jugendhilfe sowie der Missbrauch des Jugendstrafrechts verhindert werden.“

Die meisten jungen Flüchtlinge reisen ohne Identitätspapiere ein. Wer unter 18 Jahre alt ist oder das mit Erfolg vortäuscht, kann die Standardprozedur für Asylbewerber vermeiden. Er muss nicht monatelang in Sammelunterkünften leben, sondern wird in Einrichtungen der Jugendhilfe gefördert. Abschiebungen unbegleiteter Minderjähriger in ihr Herkunftsland sind in der Regel nicht möglich.

So ist das Verfahren: Das Jugendamt führt eine „qualifizierte Inaugenscheinnahme“ durch. Mitarbeiter fragen auch nach der Familie, dem bisherigen Schulbesuch, dem Fluchtweg. Am Ende müssen sie entscheiden, ob ein junger Geflüchteter als minderjährig einzuschätzen ist oder nicht.

Bestehen trotz „qualifizierter Inaugenscheinnahme“ Zweifel, kann schon heute eine ärztliche Untersuchung zur Alterseinschätzung beantragt werden. Dazu zählt etwa das Röntgen der Handwurzelknochen. Allerdings kommt es nur selten zu ernsthaften Alters­prüfungen. In Sachsen-Anhalt waren es bislang gerade mal 13 – sieben Flüchtlinge wurden danach als volljährig eingestuft.

Die derzeitigen gesetzlichen Regelungen böten ausreichend Spielraum, um solche Verfahren in begründeten Zweifelsfällen anzuwenden, sagt Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) im Landtag. Als Standardmethode seien solche Untersuchungen aber abzulehnen. Es gebe bislang keine wissenschaftlich fundierte Methode, die „zweifelsfrei“ das Alter feststellen könnte. Abweichungen von bis zu 28 Monaten seien möglich, wenn das Knochenalter über Handröntgen ermittelt werde: „Diese Methode ist per se ungeeignet, um Volljährigkeit nachzuweisen, und sie gefährdet die Gesundheit der Betroffenen.“ So sehen das etwa auch der Deutsche Ärztetag und die Bundesärztekammer.

„Wir müssen zu schärferen Kontrollmöglichkeiten kommen“, fordert dagegen Jens Kolze (CDU) in der Debatte. Es gebe „berechtigte Zweifel“ an Altersangaben junger Flüchtlinge. Die AfD-Abgeordneten applaudieren begeistert.

Das wiederum bringt Andreas Steppuhn (SPD) in Harnisch. Er attackiert den Koalitionspartner direkt. Einzelne CDU-Abgeordnete würden „am rechten Rand fischen“, sagt er. Empörte Reaktionen in der Union. Frank Bommersbach fordert eine Entschuldigung: „So läuft das nicht.“ Steppuhn nimmt nichts zurück. Der Antrag der AfD wird von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Auch von der CDU – wegen der „Koalitionsdisziplin“, räumt Kolze betreten ein. Noch-AfD-Chef André Poggenburg jubelt: „Es geht ein ganz, ganz tiefer Riss durch die Koalition.“