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Landespolitik Stahlknecht in der Klemme

Holger Stahlknecht steht als Innenminister und CDU-Chef in Sachsen-Anhalt unter massivem Druck.

Von Michael Bock 26.11.2019, 00:01

Magdeburg l Mit seinem Versuch, den polarisierenden Hardliner Rainer Wendt zum Staatssekretär zu berufen und den konservativen Flügel seiner Partei zu beruhigen, ist Stahlknecht krachend gescheitert. Er hat nicht nur die Koalitionspartner SPD und Grüne, sondern auch Leute aus den eigenen Reihen gegen sich aufgebracht. "Das ist ein Desaster", schimpft ein führendes Unions-Mitglied. Die ganze Aktion sei dilettantisch vorbereitet gewesen und verstärke Zweifel an Stahlknechts politischem Können. Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) zeigt sich entsetzt über den "Handstreich" Stahlknechts: "Die Koalitionspartner wurden vor vollendete Tatsachen gestellt."

CDU-Landtagsabgeordnete tauchen ab und gehen trotz mehrfacher Versuche nicht ans Telefon. Das heißt auch: Niemand verteidigt den Minister. In CDU-Kreisen heißt es: "Das Schweigen ist die Höchststrafe für Stahlknecht." Nächste Woche tagt der CDU-Vorstand. Die Wendt-Aktion wird Thema. Gibt es eine Personaldiskussion um Stahlknecht? "Das ist nicht ausgeschlossen", heißt es in der CDU-Spitze. Plötzlich macht das Gerücht die Runde, dass Ministerpräsident Reiner Haseloff doch noch einmal Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2021 werden könnte. Bislang gilt Stahlknecht als der Kronprinz.

Aus der WerteUnion, dem rechts-konservativen Flügel der CDU, gibt es Rückzugsforderungen. Hans-Georg Maaßen, früherer Chef des Bundesverfassungsschutzes, attackiert Stahlknecht: "Schämen Sie sich nicht? Sie haben Herrn Wendt fallengelassen. Treten Sie zurück!" Der Landeschef der WerteUnion, Ingo Gondro, spricht von einem "deutlichen Gesichtsverlust" der CDU, der nicht ohne Konsequenzen bleiben dürfe.

Was ist passiert? Am Donnerstag gegen 16 Uhr ruft Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bei Stahlknecht an. Botschaft: Tamara Zieschang wechselt in sein Ressort. Obgleich kein Tempo geboten ist, hat Stahlknecht flugs einen Ersatz parat: Rainer Wendt, Bundeschef der Polizeigewerkschaft, viele Jahre lang in Talkshows präsent, weil zuspitzender und nicht selten giftiger Kritiker von Merkels Flüchtlingspolitik. Da es in der CDU wegen anhaltender Wahlerfolge der AfD brodelt, will Stahlknecht mit Wendt einen Coup landen: Die Konservativen in der CDU beruhigen und AfD-Wähler zurückholen.

Aber: Wendt ist nicht nur politisch umstritten, er hat auch seit 2017 ein Disziplinarverfahren am Hals. Wendt hat über Nebenjobs gut 70.000 Euro Gelder erhalten, dies aber nicht angemeldet. Wendt war damals noch Polizeibeamter. Sein Dienstherr, das Innenministerium in Nordrhein-Westfalen, leitete das Verfahren ein, welches erst am 31. Oktober 2019 abgeschlossen wurde. Dem Vernehmen nach muss Wendt mit der Kürzung seiner Pension rechnen. Das ist nicht gerade karriereförderlich. Wäre er nach Magdeburg gewechselt, hätte der Beamte Wendt zum Staatssekretär befördert werden müssen. Da redet die Ministerrunde und am Ende die Koalition mit. SPD und Grüne zeigen Kante: Kein Ja zu Wendt.

Stahlknecht sagt noch am Freitag, dass das Verfahren abgeschlossen und alles bereinigt sei. Doch da ist er falsch informiert. Diese mangelnde Vorbereitung der Personalie wird ihm nun in der CDU stark angelastet. Wendt teilt nach der Absage kräftig aus: "So ist das, wenn die SPD hemmungslos Lügen verbreitet, Grüne und Linke das nachplappern … Dann kneift die Union gern und schnell und überlässt den Linken das Feld." Der "Bild"-Zeitung sagt er: "Die CDU ist vor Linken, Grünen und Sozialdemokraten eingeknickt und hat kapituliert. Das Kommando dazu kam aus dem Kanzleramt."

Hat Merkel mitgewirkt? Der Regierungssprecher verneint das. Sagt aber auch: "Das Kanzleramt spricht mit vielen Menschen über Vieles. Und das tut es vertraulich." Wer wird nun Staatssekretär? Spekuliert wird über Jochen Hollmann. Der Verfassungsschutz-Chef war 2016 Stahlknechts Favorit. Er konnte ihn damals nicht durchsetzen – wegen Zieschang.

Hier der Kommentar zum Thema.