Pandemie Wegen Corona: Lungenklinik Lostau beklagt geringere Einnahmen und hohe Kosten
In der Lungenklinik Lostau wurden seit Pandemieausbruch 161 Patienten behandelt. Chefarzt Dr. Jost Achenbach sieht erhebliche Einnahmeeinbußen für die Spezialklinik.

Lostau - Der Aufwand für die Versorgung der Corona-Patienten sei „ganz erheblich“, sagt Dr. Jost Achenbach, Chefarzt der Lungenklinik Lostau, in der besonders schwere Corona-Fälle behandelt werden. „Das beruht darauf, dass die Patienten ja von den übrigen Kranken isoliert werden müssen.“ Die Abschottung schränke natürlich die Ressourcen, die die Klinik für Nicht-Corona-Fälle vorhalten müsse, ein.
Hinzu komme, dass das gesamte Klinikpersonal – nicht nur Ärzte und Pflegekräfte, sondern auch alle übrigen, die den Bereich betreten, wie Reinigungskräfte – geschützt werden müssen. Die zusätzlichen Kosten für Schutzbekleidung und andere Infektionsschutzmaßnahmen über inzwischen fast zwei Jahre trieben die Kosten zusätzlich in die Höhe.
Der Lungenspezialist der Pfeifferschen Stiftungen Magdeburg konkretisiert den Begriff „Aufwand“. Dabei gehe es in erster Linie nicht um die Therapie, sondern um die angesprochene Isolation.
„Damit einher geht der Verlust an Erlösen, da die Isolierbereiche nicht für andere Patienten zur Verfügung stehen können und natürlich auch medizinisches Personal fehlt, das durch die Pandemie gebunden ist, nicht anderweitig eingesetzt werden und Nicht-Corona-Patienten betreuen kann."
Freihaltepauschale gleicht Einnahmeausfälle aus
Im Rahmen der vorausgegangenen Pandemie-Wellen habe es eine sogenannte Freihaltepauschale gegeben, mit der Kliniken in einem gewissen Umfang entschädigt werden konnten. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung hatten gemeinsam festgelegt, wie die durch Covid-19 entstehenden Einnahmeausfälle in den Krankenhäusern ausgeglichen werden können. Festgelegt worden war, dass zur Erhöhung der Verfügbarkeit intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten für Corona-Patienten planbare Aufnahmen und verschiebbare Operationen oder Eingriffe ausgesetzt werden sollen.
Im Unterschied zur „ersten Welle“ im Frühjahr 2020 richtet sich diese Regelung Ende des vergangenen Jahres nicht mehr an alle Krankenhäuser, sondern gezielt an solche, die vom jeweiligen Bundesland dazu bestimmt wurden.
Achenbach: „Uns wurde gesagt, bitte reduziert euer Operationsprogramm, um die Intensivstationen freizuhalten für Patienten mit Corona-Virus-Infektion. Die Freihaltepauschale ist aber ausgelaufen. Und so gesehen, gibt es nur die Möglichkeit, dass man Corona-Patienten nicht betreut, was natürlich gar nicht vertretbar wäre, zumal die Zahlen ja gerade wieder nach oben schießen und wir aktuell schon wieder eine wachsende Zahl von Patienten im Hause haben.“ Allein drei mit kritischer Beatmungssituation und auf der Intensivstation weitaus mehr. Es dürfe nicht dazu kommen, dass Corona-Patienten mit anderen Kranken, die behandelt und nötigenfalls operiert werden müssen, in einen Konkurrenzkampf treten. „In den Bereichen, die wir völlig abschotten, damit Personal nicht die Nichtcoronapatienten infizierte können wir keine anderen Kranken legen. Das heißt, Betten bleiben frei und es kommt zur Erlösminderung.“

Auch wenn das nicht gern gehört werde, Kliniken unterliegen nun mal wirtschaftlichen Zwängen und Gegebenheiten. Mit Blick auf eine hohe Hospitalisierungsquote durch die Delta-Variante, die sich immer mehr abzeichne, sei es unbedingt nötig, für besonders betroffene Kliniken erneut einen finanziellen Ausgleich zu schaffen.
Die Ausgleichszahlungen betrugen zunächst 560 Euro pro Tag für jedes Haus für jeden zwischen dem 16. März und dem 30. September 2020 im Vergleich zum Jahresdurchschnitt 2019 wegfallenden stationären und teilstationären Fall. Außerdem wurde vereinbart, dass es für jedes bis zum 30. September 2020 neu aufgestellte Intensivbett eine Zahlung von 50.000 Euro gibt.
Fünf Stufen für Ausgleichszahlungen
Im Sommer 2020 wurde der pauschale Ausgleichzahlbetrag in Höhe von 560 Euro pro Tag und leerem Bett abgelöst. An seine Stelle traten ab dem 9. Juli 2020 fünf Ausgleichsstufen – 360, 460, 560, 660 und 760 Euro.
Die Krankenkassen tun sich mit einer konkreten Einschätzung der Kostenwirkungen durch die Pandemie schwer. Es gebe zu viele Unbekannte in der Rechnung und die Lage ändere sich jeden Tag. Aber dass auf das Gesundheitssystem deutliche Mehrkosten zukommen, ist sicher.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) verzeichnete 2020 mit 2,65 Milliarden Euro das höchste Defizit seit fast zwei Jahrzehnten. Mit 4,4 Milliarden Euro wies die Statistik 2003 zuletzt einen höheren Fehlbetrag aus. „Die Pandemie hat auch die Entwicklung der Krankenkassen-Bilanzen im vergangenen Jahr geprägt“, kommentierte Gesundheitsminister Jens Spahn die Zahlen.
Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes Martin Litsch sagt voraus, dass der GKV 2022 „ein gewaltiges Defizit droht“.
Die Barmer-Krankenkasse in Sachsen-Anhalt wagt keine Prognose zur Kostenexplosion. Dazu sei die Entwicklung zu dynamisch und niemand könne etwas Konkretes voraussagen, heißt es.
Anna-Kristina Mahler von der AOK Sachsen-Anhalt wird konkret: „Die Corona-Pandemie trifft die gesetzlichen Krankenkassen in einer Zeit, die von hohen Ausgaben geprägt ist. Die Ursache für die Finanzmisere liegt allerdings nur zum Teil in der Corona-Pandemie – in 2020 für 2021 geschätzte 3,4 Milliarden Euro.“
Weitaus mehr Geld kosten die Beitragszahler die Gesetze der letzten Legislaturperiode. „So belastet beispielsweise allein das Pflegepersonalstärkungsgesetz die Kassen in diesem Jahr mit fast 2,5 Milliarden Euro. Das Terminservice- und Versorgungsgesetz schlägt mit 2,3 Milliarden Euro zu Buche. Die Mehrausgaben addieren sich insgesamt auf rund 10 Milliarden Euro für 2021. Darauf haben wir bereits Ende des vergangenen Jahres hingewiesen.“
Es sei gut, dass die zusätzliche Aufstockung der Finanzmittel aus dem Bundeshaushalt noch kurzfristig auf den Weg gebracht wurde (sieben Milliarden Euro).
Der GKV-Schätzerkreis habe den bereits im Sommer dieses Jahres auch von der AOK prognostizierten zusätzlichen Finanzbedarf von mindestens 14 Milliarden Euro Steuerzuschuss bestätigt.
„Aber wir wissen auch, dass der GKV im Jahr 2023 erneut auf ein milliardenschweres Defizit zusteuert, die man über zusätzliche Bundesmittel und Einsparungen gegenfinanzieren muss.“