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Innnenministerium prüft Ausweichvariante Halle soll Standort für temporäre Abschiebe-Haft werden

4.700 Ausländer in Sachsen-Anhalt sind ausreisepflichtig, viele aber tauchen unter. Das Land baut deshalb eine Abschiebehaft bei Eisleben, die aber dürfte erst 2027 fertig sein. Als Zwischenlösung nimmt das Innenressort nun eine bekannte Haftanstalt in den Blick.

Von Alexander Walter 25.09.2025, 10:38
Die Justizvollzugsanstalt Roter Ochse in Halle.
Die Justizvollzugsanstalt Roter Ochse in Halle. IMAGO/Steffen Schellhorn

Magdeburg - Die Stadt Halle könnte Standort einer Interims-Abschiebehaft für Sachsen-Anhalt werden. Nach Angaben des Innenministeriums von Tamara Zieschang (CDU) prüft das Land derzeit, ob es vor Inbetriebnahme der ohnehin geplanten landeseigenen „Abschiebungssicherungseinrichtung“ in Volkstedt (Lutherstadt Eisleben) eine temporäre Lösung ermöglichen kann.

Konkret will sich die Landesregierung das Haus 7 der Justizvollzugsanstalt „Roter Ochse“ in der nördlichen Innenstadt von Halle anschauen. Bis zu 12 Plätze für abzuschiebende Ausländer könnten hier entstehen. Ausschließlich Männer sollen demnach im derzeit leergezogenen Erdgeschoss des mehrstöckigen Haftgebäudes untergebracht werden. Ob die Lösung zum Zuge kommt, will das Land in den nächsten vier bis sechs Wochen klären.

Bislang hat Sachsen-Anhalt keine eigene Abschiebehaft - das führt zu hohen Kosten

Bislang hat Sachsen-Anhalt keine eigene Abschiebehaft und nutzt Einrichtungen in anderen Bundesländern. Da die Kapazitäten bundesweit immer häufiger nicht reichen, konnte das Land zuletzt aber vermehrt nicht darauf zugreifen.

Zudem verursacht die Unterbringung jenseits der Landesgrenzen Kosten: Bei 66 Personen in Ausreisegewahrsam oder Abschiebehaft fielen allein 2024 rund 400.000 Euro an, in diesem Jahr waren es bis 19. August 134.000 Euro. Die Polizei wird zudem für weite Fahrten in die Abschiebungseinrichtungen anderer Bundesländer gebunden.

Interims-Abschiebehaft könnte in fünf Monaten fertig sein - Kosten 300.000 Euro

Die neue Abschiebehaft des Landes in Volkstedt soll die Unterbringung in anderen Bundesländern künftig in der Regel überflüssig machen. Die Einrichtung mit einem Kostenvolumen von derzeit 37,4 Millionen Euro und geplanten 30 Plätzen wird voraussichtlich aber erst zum Halbjahr 2027 in Betrieb gehen.

Die Umsetzung der Interimslösung in Halle wäre laut Innenressort nach derzeitigem Stand binnen fünf Monaten möglich. Das alleinstehende Gebäude müsste dafür umgebaut werden – geschätzte Kosten rund 300.000 Euro.

So gibt es laut Innenministerium ein Trennungsgebot – heißt Abschiebehaft und der übrige Haftbetrieb müssten räumlich und logistisch separiert werden. Außerdem sollen die Zimmer mit Blick auf das Risiko selbstschädigenden Verhaltens sicherer werden. Eine Abschiebehaft sei der letzte Ort in Deutschland, an dem sich Betroffene vor dem Vollzug der Abschiebung aufhalten, hieß es zur Begründung. „Das Risiko der Eigengefährdung ist da deutlich höher als andernorts.“ So sei über die Frage nachzudenken, ob Porzellanwaschbecken oder Glasspiegel durch solche aus Stahl auszutauschen wären.

Personal könnte zum limitierenden Faktor für Betrieb werden

Offen ist auch, ob sich genug Personal für den Betrieb der Interimseinrichtung findet. Das Innenressort rechnet mit einem Bedarf von 16 bis 23 Personen allein beim Vollzugspersonal, hinzukommen zwei Verwaltungsmitarbeiter. Außerdem müssten Dienstleister für Bewachung, Betreuung, Reinigung und Hausmeistertätigkeiten gefunden werden.

Nicht zuletzt steht mit dem Abschiebungssicherungsgesetz die rechtliche Grundlage für den Betrieb aus. Das Gesetz soll den Freiheitsentzug insbesondere mit dem Ziel von Abschiebungen regeln. Derzeit befindet es sich zur Beratung im Landtag.

Laut Innenministerium kann eine Abschiebehaft angeordnet werden, wenn etwa Fluchtgefahr besteht oder Abgeschobene illegal erneut einreisen. Sie kann bis zu 18 Monaten andauern. Die mildere Form ist das Abschiebegewahrsam. Hier steht die organisatorische Durchsetzung der Abschiebung im Vordergrund. Das Gewahrsam dauert maximal 28 Tage. Laut Ministerium sollen die in einer Abschiebehaft Untergebrachten sich auf dem Gelände selbst frei bewegen können. Ein Verlassen der Einrichtung soll nur unter Aufsicht möglich sein.

2024: 654 Abschiebungen aus Sachsen-Anhalt

Laut Ausländerzentralregister gelten derzeit rund 4.700 Personen in Sachsen-Anhalt als ausreisepflichtig. Rund die Hälfte der Betroffenen taucht vor der Abschiebung aber unter oder wird nicht angetroffen. Bei Abschiebungen ist das Land auf die Kooperation mit den Herkunftsstaaten angewiesen. 2024 erfolgten insgesamt 654 Abschiebungen (2025 bisher 224). Enthalten sind auch Rückführungen in Erstaufnahmeländer der EU (Dublin-Überstellungen). Zu den Hauptzielländern gehörten Georgien, Österreich, Frankreich, Nordmazedonien, Griechenland und die Türkei. Parallel forciert das Land freiwillige Ausreisen – 2024 waren das 592, in diesem Jahr bislang 460.