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Vorstoß aus dem Landesinnenministerium Sachsen-Anhalts Städte wehren sich gegen schärfere Haushalts-Regeln

Städte und Gemeinden im Land wehren sich gegen Pläne des Innenministeriums, kommunale Haushalte ab 2025 nur noch zu genehmigen, wenn die Etat-Abschlüsse für die Vorjahre vorliegen. Der Städte- und Gemeindebund schließt rechtliche Schritte nicht aus.

Von Alexander Walter und Christopher Kissmann (dpa) 11.09.2023, 17:39
Das Gardelegener Rathaus: Die Stadt ist bei der Abarbeitung ihrer Jahresabschlüsse erst im Jahr 2016 angekommen. Damit steht sie nicht allein.
Das Gardelegener Rathaus: Die Stadt ist bei der Abarbeitung ihrer Jahresabschlüsse erst im Jahr 2016 angekommen. Damit steht sie nicht allein. Foto: Malte Schmidt

Magdeburg - Städte und Gemeinden im Land warnen vor den Folgen einer Verschärfung der Regeln für die kommunale Haushaltsführung – und erwägen auch rechtliche Schritte.

Erst 1301 von 2229 erforderlichen Jahresabschlüssen für 2021 waren zuletzt fertig

Anlass: Ab 2025 sollen die Haushalte der Gemeinden nach Plänen des Innenministeriums von Tamara Zieschang (CDU) erst genehmigt werden, wenn auch der Jahresabschluss des Vorjahres vorliegt. „Wir schaffen nun eine gesetzliche Grundlage für eine verpflichtende Sanktionierung von fehlenden Jahresabschlüssen“, sagte Zieschang. Bislang haben die bei den Landkreisen angesiedelten Kommunalaufsichten bei der Etatgenehmigung das letzte Wort – und dabei einen Ermessensspielraum. Das soll künftig nicht mehr gelten.

Bürgermeisterin: Kommen die Pläne, wären freiwillige Aufgaben vielerorts infrage gestellt

Gardelegens Bürgermeisterin Mandy Schumacher (SPD) sagte der Volksstimme zum Vorstoß: „Ich halte die Pläne für nicht sinnvoll und auch nicht für umsetzbar. Kommt es so, hätten sehr viele Gemeinden im Land, ein Problem.“ Im Fall der drohenden vorläufigen Haushaltsführung könnten sie nur noch ihre Pflichtaufgaben und vertraglich geregelte Aufträge erfüllen, sagte Schumacher. Freiwillige Aufgaben hingegen, wie Investitionen in Freibäder und Bibliotheken sowie die Instandhaltung von Dorfgemeinschaftshäusern, Spielplätzen oder Sporthallen lägen auf Eis.

Gardelegen selbst liegt bei der Abarbeitung seiner Jahresabschlüsse aktuell im Jahr 2016. „Es handelt sich um eine komplexe Aufgabe“, sagte Bürgermeisterin Schumacher. Anders als auf Landesebene gilt in den Kommunen seit 2013 die als aufwendig geltende doppische Haushaltsführung (vereinfacht: doppelte Buchführung). Um zeitnah alle Abschlüsse aufzuarbeiten, müsste die Stadt eigentlich eine Person zusätzlich einstellen, so Schumacher. Die Stadt steht nicht allein. Laut Innenministerium lagen bis 30. Juni von 2229 vorzulegenden kommunalen Jahresabschlüssen erst 1301 vor – mehr als vier von zehn fehlten also.

Gründe für Rückstände bei Jahresabschlüssen reichen von Personalnot bis zu Softwareproblemen

Auch die 8000-Einwohner-Gemeinde Biederitz bei Magdeburg befindet sich bei der Abarbeitung ihrer Abschlüsse im Jahr 2016. Hauptgrund für den Rückstand hier ist laut Bürgermeister Kay Gericke (SPD) eine Umstellung des Softwareanbieters für die Etatführung. „Wir versuchen voranzukommen“, betonte er.

Die Pläne aus Magdeburg hält auch Gericke aber für problematisch. „Das wäre ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung“, sagte er. Ähnlich äußerten sich die Städte Stendal, Haldensleben, Burg oder Genthin.

Städte- und Gemeindebund behält sich rechtliche Schritte gegen Reform vor

Burg hat dabei erst den Abschluss von 2014 fertig. Genthin ist im Jahr 2017 angekommen. Grund sei Personalnot, sagte Genthins Bürgermeister Matthias Günther. Die Stelle des Kämmerers und drei weiterer Mitarbeiter im Finanzbereich seien derzeit ausgeschrieben.

Andreas Dittmann, Präsident des Städte- und Gemeindebunds, erklärte, für den Fall, dass die angekündigte Regelung komme, behalte man sich vor, juristische Schritte zu prüfen. Denn: Bei einer vorläufigen Haushaltsausführung werde die gesamte Handlungsfähigkeit eingeschränkt. Zudem würden sich Investitionen verzögern und bestimmte Förderprogramme könnten nicht genutzt werden.

Auch Städte, die gut im Rennen liegen, äußern Verständnis für Protest

Fix ist noch nichts. Laut Innenministerium könnte die Landesregierung die Reform aber noch 2023 beschließen. Danach wäre der Landtag am Zug.

Auch Städte, die bei der Abarbeitung ihrer Haushalte gut im Rennen liegen, äußern indes Verständnis für Protest: Er könne die kleineren Gemeinden im Land sehr gut verstehen, sagte Salzwedels Bürgermeister Olaf Meining. „Ihnen fehlen schlichtweg die Kapazitäten.“ Zudem kritisiere die kommunale Familie seit Jahren zurecht, dass das Land zwar bei den Gemeinden auf die Einhaltung der doppischen Vorgaben pocht, selbst aber keinerlei Anstrengungen unternehme, seine Buchführung umzustellen.