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Landeswettbewerb Spätzünderin bereitet Erntekrone vor

Zum Erntedankfest tragen Sachsen-Anhalts Landfrauen einen Wettbewerb in Magdeburg aus. Gesucht wird die prächtigste Erntekrone.

12.09.2017, 11:13

Schmilkendorf (dpa) l Fünf Ähren nimmt Kathrin Ahlers vorsichtig in die Hand, drückt sie eng an das mit Stroh umwundene Gestell und wickelt Draht herum. Dann wandert ihre Hand wieder zu den sorgsam zurechtgelegten und auf exakt gleiche Länge geschnittenen Ähren. Stück für Stück entsteht hier in Schmilkendorf bei Wittenberg, im Vorraum eines Pferdestalls, eine Erntekrone. Sie soll die Schönste des Landes werden. Kathrin Ahlers setzt dieses Jahr auf historische Sorten vom Schwarzen Emmer bis Öllein, auch Dinkel, Hafer und Gerste sind dabei.

Die 51 Jahre alte Kathrin Ahlers ist in mehrerer Hinsicht außergewöhnlich: Sie tritt beim Landeswettbewerb zum großen Erntedankfest in Magdeburg am 16. und 17. September als Einzelteilnehmerin an, hat das Binden spät gelernt – und, das ist das Außergewöhnlichste: Sie lässt sich über die Schulter schauen. Denn bei den Erntekronen gilt: Sie werden erst zum Wettbewerb im Magdeburger Elbauenpark hergezeigt. Alles nach dem Motto: Gebunden wird im Geheimen.

"Es ist wie im Spitzensport, die Profis sind immer ganz vorn, die anderen teilen sich die Plätze", sagt Ahlers, deren beste Platzierung beim Landeswettbewerb ein dritter Platz war. Vorn seien eigentlich immer der LandFrauenverein Nutha – der hatte im vergangenen Jahr Jury- und Publikumspreis gewonnen – und der Heimatverein Ragösen. Die hielten ihre Erntekronen vor dem Wettbewerb immer bestens verborgen, sagt Ahlers.

Zu den Kronen der Siegervereine aber sagt Ahlers: "Da hängt nichts." Tricks und Kniffe behielten die für sich. Die Geheimnistuerei um die Kronen versteht Ahlers nicht so recht. "Ich würde mir ja nie von jemandem etwas abgucken." Sie gibt aber auch zu: "Sicherlich ist es auch die Überraschung" – wenn dann alle Kronen nebeneinander zu sehen seien.

Aus dem Landesverband der Landfrauen ist größtes Verständnis für die Geheimniskrämerei zu hören. "Es macht viel Mühe, eine Krone zu binden und eine Teilnahme am öffentlichen Wettbewerb spornt doch natürlich an", sagte Geschäftsführerin Jeannine Gregoraschuk. "Da lässt dann wohl vor dem Wettbewerb niemand mehr einen Blick auf Werk zu, das ist doch verständlich und nachvollziehbar." Negativ sei das nicht.

Kathrin Ahlers bezeichnet sich selbst als Spätzünder mit Blick auf das Kronenbinden. Sie hat Pflanzenproduktion studiert und arbeitet heute in der Landesverwaltung. Nachdem die Familie zur Jahrtausendwende den Pferdestall übernahm, begann sie mit den Erntekronen. Erst im Kleinen, seit sieben Jahren ist sie beim Landeswettbewerb dabei. "Mit Naturmaterialien zu arbeiten, war schon immer mein Ding", sagt sie. "Dann kommt eine gewisse Portion Ehrgeiz dazu."

"Die Krone an sich soll wirken, das Getreide und die Bindetechnik", sagt Ahlers. Für Erntekronen gebe es grundsätzlich klare Vorschriften: Breite zu Höhe soll die Proportion 3:4 einhalten und regionaltypisches Getreide sollte gebunden werden. "Es wäre fatal, wenn die Börde Roggen binden würde, dort wächst kein Roggen." Für Ahlers ist auch wichtig, dass die Krone das jeweilige Erntejahr widerspiegelt. Sei ein Getreide im Jahr mickrig gewachsen, sei das eben an der Erntekrone zu sehen. "Dazu muss man stehen", sagt die Landfrau.

Kathrin Ahlers wird von ihrer Familie tatkräftig unterstützt – ihr Mann holt mit ihr das Getreide, bringt die Erntekrone zum Wettbewerb, ihre Mutter sorgt für den exakten Schnitt der Ähren. Binden muss die 51-Jährige allerdings allein. Dabei fände sie es viel schöner, wenn noch drei andere mitmachen würden, wie sie sagt. "Es sollen keine Profis sein." Sie habe bislang vergeblich versucht, hier in der Nähe von Wittenberg einen Landfrauenverein zu gründen.

Wenn Kathrin Ahlers ihre Erntekrone nach über 14 Tagen Arbeit fertig gebunden hat, wird diese mehr als einen Zentner wiegen. Weit über 500 Meter Draht werden verarbeitet sein, allein an einem der vier Stränge rund 1500 Ähren Gerste. Den Spruch für das Band, das die Krone ziert, muss sie sich noch überlegen – und die Zieräpfel finden, die das Werk perfekt machen sollen. Schon weit vor Erntezeit macht sich Kathrin Ahlers jedes Jahr Gedanken, wie ihre Krone aussehen soll. "Sie fahren wirklich mit offenen Augen durch die Natur."

"Ich höre auf, wenn ich den ersten Platz gewonnen habe", sagt sie, halb im Scherz. Die nächste Generation steht schon in den Startlöchern. Kathrin Ahlers vierjährige Enkelin Amelie startet beim Landeserntedankfest mit einem Kinderkranz, in dem sich Hummel, Schnecke und Schmetterling wiederfinden.