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Laugengebäck Ode an die Brezel

Unser Gastautor aus London berichtet über sein neues Leben in Sachsen-Anhalt und seine Erfahrungen mit deutschen Brezeln.

Von Paul Kilbey 12.05.2018, 23:01

Magdeburg l Ich habe wirklich nichts gegen Goethe, Beethoven oder Luther, aber am allermeisten schätze ich an der deutschen Kultur die Brezel. Ich kann einfach nicht genug von ihr bekommen. Das knusprige Salz, die geschwungene Form. Oh, die Brezel.

All die Jahre in England habe ich immer geglaubt zu wissen, was eine echte Brezel ist, aber ich lag falsch. In britischen Supermärkten gibt es vor allem die Mini-Brezel. Die winzigen getrockneten Brezeln machen zwar süchtig, sind aber in Wirklichkeit nur ein erbärmlicher Ersatz für Chips. Tja, damals hatte ich noch keine Ahnung, dass die außen knusprigen und innen weichen Laugenbrezeln so viel mehr sind.

Außerdem kommen in der Laugenbrezel zwei Zutaten vor, die in Deutschland eine große Rolle zu spielen scheinen: Brot und Salz.

Ja, auch wir haben beides in Großbritannien. Aber keine dieser Zutaten hat bei uns einen vergleichbar hohen Stellenwert. Bei britischem Brot ist das größte Problem, dass es einfach nicht so gut ist. Die Leute kaufen es bei uns meistens in vorgeschnittene Scheiben geschnitten und lieblos in Plastiktüten verpackt aus dem Supermarktregal.

Zu Hause angekommen, toasten sie die labbrige Brotscheibe dann so lange, bis daraus eine schwarze, komplett verkohlte Platte übrig geblieben ist. Frisches Brot von einem echten Bäcker zu kaufen, ist bei uns leider nicht mehr üblich.

In Deutschland hingegen gibt es an jeder Ecke einen Bäcker, der im Idealfall jeden Morgen sein Brot noch selbst backt. Und das schmeckt man. Klar, auch hier verkaufen Supermärkte mittlerweile ihre Aufbackbrötchen. Aber selbst da scheinen die Standards so viel besser zu sein als bei uns.

Und das Salz scheint hier genauso wichtig zu sein. Zumindest im Salzlandkreis, wo meine Freundin arbeitet. Einer der ersten Ausflüge, den wir nach meinem Umzug nach Deutschland gemacht haben, ging zum Gradierwerk in Schönebeck. Das Salz soll einen positiven Einfluss auf die Atemwege haben und ich sah es als die perfekte Gelegenheit, meine dreckige Londoner Lunge zu reinigen.

Ich bin mir nicht sicher, ob es geklappt hat, aber ich finde es schön, wie begeistert Deutsche von alternative Heilmethoden sind. Und, dass sie glauben, dass etwas einfaches wie Salz dabei helfen kann. Auf meiner geliebten Brezel spielt das Salz gleich zweimal eine große Rolle. Einmal als Gechmacksverstärker und als schmückendes Element. Einfach genial.

Doch ist vielleicht … zu viel Salz auf der Brezel? Ja, natürlich - bestimmt eine ungesunde Menge. Aber selbst daran scheinen die Deutschen gedacht zu haben. Wenn zu viel Salz auf der Brezel ist, pult man es einfach von ihr herunter. Das geht in anderen Produkten nicht so einfach - und zwar weder in Deutschland noch in Großbritannien.

Zahlreiche Studien besagen, dass Menschen zu viel Salz aufnehmen - und zwar vor allem durch Fertigprodukte, in denen oft verstecktes Salz ist. Dagegen ist die Brezel erfrischend ehrlich. Schau mal, scheint sie zu sagen. Auf mir ist sehr viel Salz. Du möchtest nicht so viel davon essen? Dann kratz es einfach von mir herunter.

Seit ich in Deutschland wohne, kann ich mir kein Land mehr ohne die Laugenbrezel vorstellen.

Was essen Menschen an Bahnhöfen? Natürlich gibt es dort auch bei uns sehr viele Snacks zu kaufen. Aber keiner ist so elegant wie die Brezel. Es gibt zum Beispiel „Cornish pasties” - kleine Küchlein aus fettigem Mürbeteig, die mit Kartoffeln oder Käse gefüllt sind. Oder amerikanische Muffins, Cookies und viele andere Snacks, die zum Zuckerschock führen.

Und es gibt eine endlos große Auswahl an Chips. Aber sogar die schmecken in Deutschland besser, denn hier gibt es sie mit Paprika-Geschmack. Ein Bahnhof ohne Brezeln und Paprika-Chips … Ich glaube, ich kann niemals wieder nach England zurückziehen.

Find an Englisch version of the article here.