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Leistungssport Topathleten wollen politisch mitmischen

Ruderweltmeister Maximilian Planer aus Bernburg erklärt im Interview, was in der Athletenförderung schiefläuft.

Von Janett Beck 14.11.2017, 23:01

Volksstimme: Sie sind eines von 45 Gründungsmitgliedern des Vereins „Athleten Deutschland“, Aktivensprecher der Riemen-Ruderer und auch Mitglied der Athletenkommission im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Warum machen Sie sich für andere Sportler in unserem Land stark?

Maximilian Planer: Ich habe in meiner Karriere schon viel erlebt und war nie einer, der zu allem Ja und Amen sagt oder den bequemen Weg geht. Im Vorfeld der Olympischen Spiele von Rio gab es Dinge, die mir missfallen haben. Da wurde nicht immer im Sinne der Athleten gehandelt. Ich wollte mich noch mehr einbringen. Gleichzeitig bin ich befreundet mit Fechter Max Hartung, Team-Weltmeister und Vorsitzender der DOSB-Athletenkommission. Er hat mich ins Boot geholt und mich auch schnell für die Idee der Vereinsgründung begeistert.

Im DOSB gibt es ja eine Athletenkommission, die die Interessen der Spitzensportler vertritt. Wozu braucht es jetzt noch einen eigenen Verein?

Die Probleme, die in den letzten Jahren im Leistungssport entstanden sind, nehmen zu. Durch die ganzen Dopingskandale oder auch die Strukturreform im Leistungssport gibt es 1000 Baustellen im deutschen Sport. In der Athletenkommission arbeiten alle aber ausschließlich ehrenamtlich. Als Leistungssportler, der trainiert, studiert und nebenbei noch dieses wichtige Amt hat, kann man der Aufgabe nicht mehr gerecht werden, die Athleten angemessen zu vertreten. Mit dem neuen Verein wird die Kraft gebündelt und die Arbeit der Athletenkommission professionell unterstützt.

Sie pochen also vor allem auf hauptamtliche Strukturen im neuen Verein. Wieso ist Ihnen das so wichtig?

Ziel ist eine Geschäftsstelle mit möglichst drei hauptamtlichen Mitarbeitern. Es geht darum, einen zentralen Anlaufpunkt für die Sportler zu schaffen, wo sie sich mit ihren Sorgen, Nöten, Fragen und Problemen hinwenden können. Und wir wollen unabhängig vom DOSB agieren und deutlich machen: Wir Sportler in Deutschland sind eine starke Macht und haben eine eigene Meinung. Um als Sprachrohr fungieren zu können, sollten möglichst alle Kadersportler Vereinsmitglied werden.

Der DOSB hat zunächst eine abwehrende Haltung eingenommen und den Sinn und Zweck des Vereins infrage gestellt. Haben Sie mit diesem Gegenwind gerechnet?

Da waren wohl einige recht überrascht über die Gründung des Vereins. Man hat wohl nicht damit gerechnet, dass wir Athleten uns so einig sind und innerhalb eines Jahres eine Interessenvertretung auf die Beine stellen. Ím DOSB sah man nicht die Notwendigkeit zur Gründung eines eigenen Athleten-Vereins.

Was halten Sie dem entgegen?

Dass die Athletenkommission nur begrenzte Ressourcen hat. Auch mein Alltag hat nur 24 Stunden. Unser Vorsitzender Max Hartung zum Beispiel ist als Fechter Hochleistungssportler. Er trainiert, studiert und hat als Vorsitzender der Athletenkommission den Schreibtisch voller Arbeit. Praktisch macht er drei Jobs. Wie soll das gehen, ohne dass etwas auf der Strecke bleibt? Uns geht es darum, dass solche Leute wie er entlastet werden. Dem Verein geht es nicht um Konkurrenz oder Konfrontation. Es geht uns darum, den Sport in Deutschland voranzubringen und die Rechte der Athleten, um die es sich im DOSB ja vor allem dreht oder drehen sollte, professionell zu vertreten. Wir wollen gemeinsam Lösungen finden, damit der Sport in Deutschland erfolgreicher wird. Aber das geht viel einfacher, wenn wir in den entsprechenden Gremien mit einem hauptamtlichen Interessenvertreter auf Augenhöhe zusammen reden und ernst genommen werden.

Der Verein veranschlagt für die Schaffung einer hauptamtlichen Geschäftsstelle rund 300 000 Euro. Die Mittel für den Sport sind aber eh schon knapp bemessen. Nimmt der DOSB vielleicht auch aus Futterneid eine Anti-Haltung ein?

Wir wollen niemandem etwas wegnehmen. Unser Bestreben ist es, dass das Geld vom Bund kommt und der Haushalt dafür aufgestockt wird. Da hoffen wir auf die Unterstützung durch die Politik und freuen uns auf die Gespräche mit der neuen Regierung und dem neuen Sport­ausschuss. Die SPD hat schon öffentlich ihre Unterstützung verkündet. Es wäre toll, wenn die anderen jetzt nachziehen.

Die Kritik der Athleten an der angeschobenen Reform des Spitzensports in Deutschland hält nach wie vor an. Was läuft Ihrer Ansicht nach schief?

Ich nehme das so wahr, dass die Leute, die Entscheidungen fällen, wie in der Politik, viel zu weit vom Geschehen, von der Basis weg sind. Die Athleten müssen noch mehr einbezogen werden. Viele Sachen leuchten mir aus sportlicher Sicht ein. Und zweifellos muss es auch die angestrebte Zentralisation und Konzentration der Mittel geben. Das ist im Grunde okay. Ich denke, wenn wir Achter-Ruderer nicht alle in Dortmund zusammen trainiert hätten, wären wir wohl nicht Weltmeister geworden. Aber da werden mir zu oft weitreichende Entscheidungen über die Köpfe derer getroffen, um die es eigentlich geht . Wir vom Verein „Athleten Deutschland“ haben uns das Ziel gesteckt, dass zukünftig keine Entscheidungen, die uns Athleten betreffen, getroffen werden, ohne dass wir als Verein zustimmen.

Was macht die Umsetzung der Reform so schwierig?

Das lässt sich zum Beispiel an der vorgeschriebenen Zentralisierung an Stützpunkten festmachen. Wie schon gesagt, bislang wurden die Athleten aus meiner Sicht nicht ausreichend in den Prozess einbezogen. Es gibt bei vielen Sportlern große Fragezeichen, was ihre Zukunft angeht. Wenn gestandene Kadersportler für die weitere Förderung gezwungen werden, den Wohnort zu wechseln, widerspricht das oft der Lebenswirklichkeit des Einzelnen. Das sieht man beispielsweise beim Rudern daran, dass es heißt, alle Leichtgewichtsruderer oder Skuller müssen nach Hamburg. Aber da musst du für ein WG-Zimmer in halbwegs guter Lage mit kurzen Wegen zum Training und Studium 1000 Euro berappen. Wer soll das als studierender Top-Athlet bezahlen? Hierzulande ist es inzwischen ein sehr großes Risiko, Leistungssport zu betreiben.

Wo drückt der Schuh denn am meisten?

Das Problem ist, dass ein Hochleistungssportler erst sehr viel später ins Berufsleben einsteigt als normale Leute. Er kann somit erst viel später in die Rentenkasse einzahlen, und, und, und. Es bleibt einfach vieles auf der Strecke. Wenn man dann nicht einmal in seiner leistungssportlichen Zeit ausreichend abgesichert ist, ist das ein Riesenproblem. Klar, dass dann viele sagen, die nicht in der Sportfördergruppe der Bundeswehr oder der Bundespolizei sind und nur 150 bis 300 Euro der Sporthilfe bekommen, wozu der ganze Aufwand? Da höre ich doch lieber auf und konzentriere mich auf mein berufliches Weiterkommen. Wir müssen wieder dahin kommen, dass man in Deutschland Leistungssport betreiben kann, ohne Existenzängste zu haben.

Mit Blick auf die ausufernde Dopingproblematik hat sich der Verein auch den Kampf um Chancengleichheit auf die Fahnen geschrieben. Geht der DOSB zu lasch mit dem Thema um?

Was in Sachen Doping in einigen internationalen Verbänden oder bei Olympia gelaufen ist, geht einfach so nicht. Das kann man als deutscher Spitzensportler nicht akzeptieren. Wir treten für sauberen Sport ein, und es geht völlig in Ordnung, dass wir ständig kontrolliert werden. Aber es kann nicht sein, dass wir an der Startlinie stehen und genau wissen, diese Sportler aus einigen Ländern sind in den ganzen Jahren nicht einmal kontrolliert worden. Nur wenn der Kampf gegen Doping ernsthaft und ehrlich geführt wird, kann der olympische Sport seine Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Und dann ist es auch möglich, für seine Leistung wieder mehr Anerkennung in der Gesellschaft zu bekommen.