Leseranwältin Für die Leser am Thema dranbleiben

Journalisten haben eine Vorliebe für plakative Wortschöpfungen, auch in Bezug auf die eigene Branche. „Helikopter-Journalismus“ ist ein solcher Begriff. Sie haben ihn ziemlich sicher schon selbst beobachtet. Besonders offensichtlich wird das Medienverhalten, das er beschreibt, wenn etwas geschieht, das über die Region hinaus Aufsehen erregt oder die öffentliche Debatte bestimmt – eine Naturkatastrophe, der Anschlag in Magdeburg, aber auch politische Themen wie große Wahlen. Überregionale, manchmal internationale Medien schweben für ein paar Tage oder Wochen ein, um ihr Publikum mit Informationen direkt vom Ort des Geschehens zu versorgen, danach schwindet die mediale Aufmerksamkeit wieder.
Auch im Lokaljournalismus
Doch auch im Lokaljournalismus gibt es „Helikopter-Einsätze“, zum Beispiel wenn eine Redaktion in einer Straßenumfrage Bürger fragt, worüber diese sich in ihrer Stadt ärgern, und die Antworten veröffentlicht, mehr aber nicht.
Wohlgemerkt: Die aktuelle, schnelle Berichterstattung ist wichtig und notwendig. Als Leser kann man nur davon profitieren, wenn Journalisten ein Thema aus unterschiedlichen Sichtweisen – von innen und außen, aus der Nähe und mit größerer Distanz – vermitteln.
Warum bleibt dennoch ein ungutes Gefühl bei mancher „Helikopter-Berichterstattung“? Weil Schnelligkeit leider zur inhaltlichen Oberflächlichkeit verführen kann. Man schnappt ein paar Eindrücke auf, sammelt Stimmen ein, geht den Dingen aber nicht wirklich auf den Grund. Zu Recht ärgern sich Leser über unkritisch weitergetragene Klischees in auf diese Weise entstandenen Berichten. Der viel komplexeren Realität wird das selten gerecht.
Das ist die Mühe wert
Besser ist Journalismus, ob lokal oder überregional, wenn Reporter zusätzlich zur Ad-Hoc-Berichterstattung immer wieder und über längere Zeit auf ein Thema schauen, Ursachen und Folgen wirklich verstehen wollen. Das kostet Zeit und Aufwand – jedes Vorurteil, das nicht in einem Beitrag landet, ist die Mühe wert.