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Leseranwältin Kritik an die falsche Adresse gerichtet

04.08.2025, 07:00
Leseranwältin Heike Groll
Leseranwältin Heike Groll VS

Die Botschaft ist etwas anderes als der Bote, der sie überbringt – logisch! Was in der Theorie so eindeutig ist, unterliegt in der journalistischen Praxis einiger Verwechslungsgefahr. Gut nachvollziehen lässt sich das an einem Beitrag in der Volksstimme vom 25. Juli zum bevorstehenden Prozess um den Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt 2024.

Die Redaktion hatte zehn Fragen erörtert, unter anderem diese: „Warum ist der Aufwand überhaupt nötig, es ist doch klar, was passiert ist?“ Ein Satz in der Antwort empörte besonders: „Dem Land sollte jedes Mittel recht sein, um die Schuld des Verdächtigen (das bleibt er bis zum Schuldspruch) gerichtlich klären zu lassen.“ Warum, so fragt ein Leser, gebe man Journalisten wie dem Autor dieses Artikels ein Podium?

In diesem Fall richtet sich die Kritik jedoch gegen den falschen Adressaten. Der Reporter – der Bote - gibt lediglich als Zitat – die Botschaft - wieder, was jemand anderes gesagt hat. Auch im Originalartikel steht die Aussage in Anführungszeichen, und der Urheber, ein Oberstaatsanwalt, wird namentlich genannt.

Doch hätte der Reporter diese Aussage nicht einfach weglassen können? Beweist nicht schon die Entscheidung dafür, sie zu veröffentlichen, dass der Jurist sagt, was auch der Journalist meint? Keineswegs.

Zumal dann der Verdacht aufkäme: Unterdrückt der Reporter eine Äußerung, weil sie ihm missfällt? Beides zielt im Grunde auf denselben Vorwurf, die Meinungsbildung durch Hinzufügen oder Weglassen einer wichtigen Perspektive zu manipulieren. Dies wäre handwerklich und ethisch ein schwerer Verstoß gegen die journalistischen Berufsregeln.

Aufgabe des Reporters war es, Fakten zu erklären und sie einzuordnen. Stellungnahmen von Experten einzuholen, ist Ausdruck der journalistischen Sorgfaltspflicht. Wie anders sollen Leser eine ausreichend umfängliche Informationsgrundlage bekommen, um sich selbst eine Meinung zu bilden?