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Partnerschaft Die Fremdgeh-Detektivin

Sie wickelt Männer um den Finger. Doch sie tut das im Auftrag eifersüchtiger Frauen. Therese Kersten aus Schönebeck ist Treue­testerin.

Von Emily Engels 03.03.2018, 00:01

Schönebeck l Wenn Therese Kersten einen Mann in der Bar anspricht, mag es diesem zunächst wie ein Segen erscheinen. Denn tut die attraktive Schönebeckerin das, wird sie sich mit ihm zunächst in ein lockeres Gespräch verwickeln, ihm schmeicheln, mit ihm flirten. Doch spätestens, wenn der Mann nach Hause zu seiner Partnerin kommt, wird der Segen schnell zu einem Fluch. Denn der Mann in der Bar war ein Testobjekt.

Die schmerzhafte Vermutung, für den Partner nicht die Einzige zu sein, ist auch Therese Kersten nicht unbekannt. Sie war 19, über beide Ohren verliebt – und wurde das Gefühl nicht mehr los, dass ihr Freund sie betrügt. Und sie lag richtig. Kersten weiß heute aus Erfahrung: „Solche Vorahnungen kommen leider nur selten von ungefähr.“

Erzählt die heute 27-Jährige davon, wie ihr einst das Herz gebrochen wurde, tut sie das mit einer selbstbewussten Stimme. Denn anstatt sich im Kummer zu vergraben, ist sie damals selbst aktiv geworden. „Ich habe Sherlock Holmes gespielt – erst für mich und jetzt für andere“, erzählt sie von den Anfängen ihrer Agentur „Die Treuetester“.

„Ich habe angefangen, von meinem Freund alles zu durchforsten. Laptop, Handy, Emails“, erinnert sich Kersten. Sie wurde fündig. Jetzt stand fest: „Er geht fremd.“

Da es ihr mit dieser Gewissheit besser ging, als mit den ewigen Vermutungen, beschloss sie, Lockvogel zu werden. Mittlerweile beschäftigt sie in ihrer Agentur mit Firmensitz Schönebeck 350 freiberufliche Testerinnen, sie selbst pendelt zwischen ihrer Wahlheimat Paris und dem Salzlandkreis.

Etwa 30 Aufträge bekommt Therese Kersten monatlich. Die meisten von Frauen zwischen 20 und 50 Jahren alt. „Oft vermuten meine Kunden schon länger, dass etwas nicht stimmt“, so Kersten. Hinweise können zum Beispiel sich häufende Geschäftsreisen oder ein plötzliches Desinteresse im Bett sein.

Ob der Getestete treu ist oder nicht, beurteilen Therese Kersten und ihre Lockvögel jedoch niemals selbst. „Jeder definiert das anders“, sagt sie. Den Kunden werden SMS-Verläufe oder ein Protokoll nach einem Treffen zugeschickt, urteilen können sie dann selbst.

Genauso individuell sind auch die Möglichkeiten, einen Partner zu testen. Einen SMS-Test gibt‘s ab 34 Euro, bei einem persönliches Treffen, das bis zu einem Kuss geht, ist die Kundin bei 89 Euro pro Stunde dabei. Hierfür werden übrigens nicht nur Frauen eingesetzt, die wie Supermodels aussehen. Kersten: „Schließlich sind die Geschmäcker verschieden.“

Besonders viele misstrauische Frauen gibt es übrigens in Nordrhein-Westfalen, in Sachsen-Anhalt hält es sich noch in Grenzen, so Kersten. Dennoch müssen die Männer sich auch hier hüten: Im Bundesland sind nicht ohne Grund 25 Lockvögel von ihr beschäftigt ...

Doch wer denkt, dass nur Frauen Therese Kerstens Angebot nutzen, liegt falsch. So erzählt sie: „Etwa 20 Prozent meiner Kunden sind Männer.“ Und wenn die erstmal glauben, dass ihre Partnerin fremdgeht, können die echt hartnäckig sein, so Kersten. In Zusammenarbeit mit einem Labor bieten „Die Treuetester“ auch den Test auf Spermaspuren an. „Ein Mann hat wie verrückt Unterhöschen seiner Freundin geschickt – viele davon reagierten positiv auf Sperma“, erzählt sie. Später sei er so besessen gewesen, dass er sogar Karotten eingeschickt habe, um sie auf DNA-Spuren untersuchen zu lassen.

Aber ist eine Beziehung überhaupt noch zu retten, wenn man dem Partner nicht mehr vertraut? Definitiv, findet Therese Kersten. Sie sieht Tests auch als Chance, wenn Frau oder Mann mit dem Misstrauen falsch lagen.

Zu einem persönlichen Treffen wie anfangs beschrieben kommt es für Therese Kersten heutzutage in der Regel nicht mehr. Sie nimmt vor allem Kundenanfragen an und verteilt diese an ihre Lockvögel. Doch die SMS-Tests, die führt sie noch alle selbst durch. Inzwischen weiß sie so viele Geschichten zu erzählen, dass sie diese in ein Buch „Lockvogel“ zusammengefasst hat, das heute bei „edition a.“ erscheint.

Und an die Treue glaubt Kersten trotz des täglichen Geschäfts mit der Untreue noch immer. Ihren Verlobten von einer ihrer Mitarbeiterinnen testen zu lassen, würde ihr im Traum nicht einfallen. Sie sagt lachend: „Der weiß schließlich, was ich beruflich mache. Er sieht in jeder Frau eine potenzielle Testerin.“