Dermatologen: Es gibt keinen Anstieg bei Hautkrankheiten in Sachsen-Anhalt Mehr Kinder mit Neurodermitis im Osten? Ärzte widersprechen Barmer-GEK-Studie
Laut "Barmer GEK"-Arztreport von 2012 ist die Hautkrankheit Neurodermitis in Sachsen-Anhalt besonders stark verbreitet. Doch hierzulande winken Hautärzte ab. Es sei kein länderspezifischer Anstieg nachweisbar.
Magdeburg l Der im Februar veröffentlichte Barmer-Arztreport 2012 sieht die Hautkrankheit Neurodermitits in den neuen Bundesländern sehr viel mehr verbreitet als in den alten Ländern. Nach Thüringen (17,1 Prozent) folgt Sachsen-Anhalt (16,4 Prozent) als Bundesland mit dem zweithöchsten Anteil an betroffenen Kindern bis 14 Jahre. Bundesweit liegt die Quote bei elf Prozent.
Der Barmer-GEK-Arztreport wertet Routinedaten der ambulanten Versorgung aus. Zugrunde liegen nach Angaben der Krankenversicherung die Daten von 8,7 Millionen Versicherten. Der aktuelle Bericht 2012 rückte das Thema Kindergesundheit in den Mittelpunkt.
Nach der zuletzt 2009 in Sachsen-Anhalt im Auftrag des Sozialministeriums erhobenen Schulanfängerstudie stieg der Anteil an Neurodermitis erkrankten Kindern leicht von 14 Prozent 2006 auf 16 Prozent 2010. Kinder mit Neurodermitis leiden oft viele Jahre lang unter Haut-Ekzemen, die schweren Juckreiz verursachen können. Ein starker Anstieg der Erkrankungen zu DDR-Zeiten wurde unter anderem mit der damals starken Luftverschmutzung in Verbindung gebracht.
Warum aber sind Kinder in Sachsen-Anhalt mehr betroffen als Altersgenossen in Hessen oder Niedersachsen? Die Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Dermatologen, Dr. Gabriele Merk aus Wittenberg, glaubt nicht daran, dass sich die Krankheit regional unterschiedlich ausbreitet: "In erster Linie handelt es sich um eine Erkrankung, die über Erbanlagen mit- und weitergegeben wird. Nur bei etwa 15 Prozent der erkrankten Kinder kommen verschiedene Allergien dazu", sagt sie.
Es sei denkbar, dass Stress in der Familie und in der Schule für eine Verstärkung des Krankheitsgeschehens verantwortlich sei. Auch sei möglich, dass in einem bestimmten sozialen Umfeld der unsachgemäße Umgang mit der Erkrankung - zum Beispiel Hautpflege, Hygiene, Allergenmeidung - für einen Anstieg sorge. "Statistisch verlässliche Zahlen dazu gibt es aber nicht", so die Ärztin. Bei etwa 75 Prozent der Kinder heilen die Symptome in der Pubertät ab. Merk: "Mit dem Alter setzt dann ein Wandel des Krankheitsgeschehens ein. Kontaktsensibilisierungen werden häufiger und gehen teilweise in die Gruppe der Berufskrankheiten über."
"Ein statistisch signifikanter Anstieg der Erkrankungen ist in den vergangenen zehn Jahren nicht nachweisbar", sagt auch Privatdozent Dr. Andreas Ambach aus der Magdeburger Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie. Die Erkrankungsquoten bei Kindern hätten sich seit ca. 2003 zwischen 15 und 20 Prozent stabilisiert. Ambach verweist darauf, dass sich aktuelle Zahlen mit Werten vorangegangener Studien nicht immer vergleichen lassen, weil sich die Methodik solcher Studien häufig erheblich unterscheiden. So gesehen wäre denkbar, dass der Anstieg von Neurodermitis mehr ein statistisches als ein medizinisches Phänomen darstellt.
Ambach: "Dass die Krankheit in den vergangenen 50 Jahren deutlich zugenommen hat, ist aber unumstritten. Dabei spielen Umwelteinflüsse, die sich geändert haben, eine wichtige Rolle." Als Beispiele nennt der Arzt erhöhten Stress - bei Kindern auch durch zu viel Computerspiele - und das regelmäßige Schwächen der Haut durch Duschgels und Seifen. Doch diese Faktoren machen keinen Unterschied nach Bundesländern.
Eine Erklärung, wieso in den neuen Bundesländern mehr Kinder an Neurodermitis erkrankt sein sollen als in den alten, sind sie nicht. Andreas Ambach: "Die regionalen Unterschiede, die sich im Barmer-GEK-Bericht abzeichnen, sind mit unterschiedlichen Umwelteinflüssen nicht zu erklären." Selbst, wenn man unterstellen würde, dass in Sachsen-Anhalt ein höherer Anteil von Kindern in Familien lebt, die unteren sozialen Schichten angehören, wäre das kein Hinweis auf eine besonders hohe Zahl dieser Hauterkrankung. Ambach: "Im Gegenteil. Die Krankheit findet sich viel häufiger in Akademikerfamilien und in sozial besser gestellten Schichten."