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Erfindung Mit Malz fängt man "Löwen"

Mit ihren Brotaufstrichen aus Malz hat eine Harzerin in der "Höhle der Löwen" einen Großinvestor gefangen.

Von Elisa Sowieja 05.10.2016, 01:01

Bräunrode l Im Leben von Steffi Tomljanovic passieren seit kurzem ungewöhnliche Dinge. Vor ein paar Tagen standen wildfremde Urlauber aus Rostock vor ihrem Büro, die sie einfach mal kennenlernen wollten. Andauernd melden sich Zeitungstanten und Radioonkels mit Gesprächsbedarf. Und Dienstag vor drei Wochen, als es sich die Harzerin gerade auf der Couch bequem machen wollte, rief ein millionenschwerer Unternehmer aus Schleswig-Holstein an, um viel Spaß beim folgenden Fernsehabend zu wünschen.

Grund für all den Wirbel ist die Folge „Die Höhle der Löwen“, die an jenem Dienstag bei Vox über den Bildschirm flimmerte. In der Show dürfen Gründer mit pfiffigen Geschäftsideen bei Großinvestoren wie Carsten Maschmeyer und Jochen Schweizer vorsprechen – in der Hoffnung, dass die sie für ein paar Firmenanteile unter ihre Fittiche nehmen und mit einem Batzen Geld ausstatten.

Eine Kandidatin in jener Folge war die 56-Jährige aus Bräunrode im Südharz. Mit ockerfarbener Schürze und zittrigen Händen servierte sie den Finanziers Knäckebrotstückchen mit Aufstrichen, die es so in Europa sonst nicht gibt: gekocht aus einer Vorstufe von Bier. Sie schmecken nach Malz und – je nach Geschmacksrichtung – nach Ingwer, Kaffee, Chili. Zusätzliche Besonderheit: Sie haben weniger Zucker als Marmelade. Die Erfindung trägt den Namen Malzit.

Die „Löwen“ waren begeistert. Allen voran Frank Dümmel. Mit seinem Handelsunternehmen – 250 Millionen Euro Jahresumsatz – spielt er in derselben Liga wie AWD-Gründer Maschmeyer und Schweizer mit seinen Erlebnisgutscheinen. Dümmel bot der Harzerin 40 000 Euro für 30 Prozent ihrer Firma. Ihr schossen die Tränen in die Augen. Bei solch rührender Geschäftsanbahnung kann man dann vor der Ausstrahlung ruhig mal durchrufen.

Steffi Tomljanovic ist so unkompliziert wie ihr brauner Kurzhaarschnitt. Für die 15 Minuten Wartezeit vor dem Interview – ihr kam ein Telefonat mit einer Zeitschriftenredakteurin aus Hamburg dazwischen – entschuldigt sie sich aufrichtig. Für Fotos posiert sie geduldig. Fragen beantwortet sie offen. Zum Beispiel die, warum sie im Fernsehen plötzlich weinen musste: „Ich bin es nicht gewohnt, so gelobt zu werden.“ Internet-Unternehmer Frank Thelen hatte ihre Professionalität gewürdigt, Jochen Schweizer ihr seriöses Auftreten. Dümmel war gar in Schwärmerei verfallen: „Sie sind so bodenständig, so ehrlich, so natürlich. Mir wäre es eine Herzensangelegenheit, Ihnen zu helfen.“

Und das, wo sie kurz davor war, aufzugeben. „Die Sendung war der allerletzte Versuch“, sagt sie. Immerhin hatte Tomljanovic zu diesem Zeitpunkt schon elf Jahre für ihr Produkt geackert. Mit dem Aufstrichkochen begonnen hatte die gelernte Bankangestellte damals, als ihr Mann, Inhaber einer Schlosserei, wegen nicht bezahlter Aufträge Stellen streichen musste – darunter auch ihre im Büro.

Auf die Idee mit dem Malz war sie durch ein Geschenk gekommen: Weingelee. Fürchterlich im Geschmack, fand Tomljanovic. „Ich konnte es nicht mal riechen.“ Lieber als Wein trinkt sie Schwarzbier. Ihr Gedanke: Was mit Wein funtioniert, geht mit Bier bestimmt viel leckerer.

Die Harzerin suchte sich eine kleine Brauerei, die begann, ihr eine Vorstufe von Bier abzufüllen: geschrotetes und in Wasser ausgelassenes Malz. In dieser Phase macht das Gebräu übrigens noch nicht beschwippst. In eine leerstehende Halle auf dem Schlossereigelände baute sie eine kleine Industrieküche ein. Dort kreierte sie die ersten zwei Sorten. Sie ließ Plaste-Etiketten entwerfen, die sie Glas für Glas mit dem Heißlüfter festklebte.

Dann begann das Klinkenputzen. Tomljanovic tingelte über Erfindermessen, organisierte Verkostungen, sprach in Supermärkten vor, schrieb große Unternehmen an. Sämtliche Einnahmen steckte sie wieder in ihr Malzit, sagt sie – zum Beispiel ins Patent für den Herstellungsprozess oder in die Beratung von Lebensmittelforschern, um mit ihrer Rezeptur die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten.

„Für den Lebensunterhalt blieb nichts übrig“, sagt die Harzerin mit ernster Miene. Dann muss sie ein bisschen schmunzeln: „Ich sag‘ ja immer, ohne meinen Mann wäre ich verhungert.“ Warum sie trotzdem weitermachte? „Weil wir beide an das Produkt glaubten. Außerdem ging es ja immer ein bisschen bergauf.“ Immerhin verkaufte die Unternehmerin im vergangenen Jahr 20 000 Gläser – zehnmal soviel wie zu Beginn. Das gelang ihr auch dadurch, dass zwei Supermarktketten den Aufstrich zumindest in der Region der Harzerin anboten.

Inzwischen steht Malzit deutschlandweit in den Karstadt-Regalen und in rund 1500 Edeka-Märkten, auch in Sachsen-Anhalt. Auch andere Ketten haben angebissen. Dümmels Firma hatte dabei ihre Finger im Spiel. Sie hat auch einen Online-Shop aufgebaut und einen Produktfilm gedreht, der schon auf im Verkaufsfernsehen lief.

Nicht nur die Vermarktung übernehmen inzwischen andere, sondern auch das Kochen. Das wird jetzt in einer Produktionsstätte in Berlin erledigt. Statt der vier Liter, die in Tomljanovics Töpfe passen, gehen dort in einen Pott 400 Liter.

Die gewonnene Zeit nutzt Tomljanovic für ihre neuen Aufgaben. Sie spricht mit der Presse, bearbeitet Bestellungen, beantwortet Fragen auf Facebook. Die kleine Küche auf dem Schlossereigelände bleibt trotzdem nicht kalt. Kleine Mengen für den Direktverkauf kocht sie dort nach wie vor. Und heute Nachmittag will sie mal wieder neue Sorten testen, sagt sie. Wenn keine Anrufe dazwischenkommen.