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Muttertag Der Blumenstrauß als verkanntes Symbol

Die Geschichte vom Muttertag und seiner blumigen Entwicklung.

Von Juliane Just 11.05.2018, 01:01

Magdeburg l Floristen hören schon die Kassen klingeln. Der Muttertag ist seit Jahren einer der verkaufsstärksten Tage für die grüne Branche – noch stärker als der Valentinstag. Doch das Blümchen für Mama war nicht immer das Symbol des geschichtsträchtigen Tages. Fernab der Blumenindustrie hat der Tag einen ernsten, politischen Hintergrund.

West Virginia (USA), 1905: Eine Mutter stirbt. Für neun Kinder bricht eine Welt zusammen. Eines dieser Kinder ist Anna Marie Jarvis, ihrerseits Frauenrechtlerin. Aus ihrer Trauer heraus entsteht eine beispiellose Erfolgsgeschichte, die um die Welt geht. Aus ihrem privaten Gedenken möchte die Tochter ein öffentliches machen und setzt sich für einen Tag zur Ehrung der Mütter ein. In einer unermüdlichen Kampagne sendet sie Briefe an Politiker, Frauenverbände und Kirchenführer.

Knapp drei Jahre später trägt ihr Ehrgeiz Früchte: am zweiten Maisonntag 1908, dem dritten Todestag ihrer Mutter Ann Jarvis, findet der erste offizielle Gottesdienst im Zeichen der Mütter statt. Im Anschluss an die Zeremonie verteilt Anna Marie Jarvis Nelken – rote Nelken für die lebenden, weiße für die verstorbenen Mütter.

Bei dem Gottesdienst sollte es nicht bleiben: Im Jahr 1914 erklärt US-Präsident Woodrow Wilson den zweiten Sonntag im Mai zum Ehrentag aller Mütter. Es entsteht ein Gedenktag, der sich über viele Landes- und Sprachgrenzen hinwegsetzt. Doch schon bald hat der Tag nicht mehr viel mit der Urpsrungsidee gemeinsam – Floristen und Gärtner sehen ihre Chance.

Das zeigt sich daran, dass der erste deutsche Muttertag vom Verband der Deutschen Blumengeschäftsinhaber veranstaltet wird. Im Jahr 1923 erhalten die Mütter in Deutschland erstmals von ihren Kindern eine florale Aufmerksamkeit im Mai. Ein Blumenstrauß für 365 Tage unermüdlichen Einsatz der Mutter in Haushalt, Familie und Beruf.

Doch nicht nur die Blumenbinder, auch die Nationalsozialisten erkannten die starke Symbolik des Tages – und nutzten sie für ihre Zwecke. Sie machten ab dem Jahr 1922 aus der Ehrung aller Mütter einen Tag für die kinderreichen Mütter, die den Nachwuchs für das deutsche Volk sichern. Es brauchte Mütter für dringend benötigte Soldaten – geehrt werden jene mit mehr als vier Kindern. Deswegen gab es für „erbgesunde“ Frauen ab der Geburt von vier Kindern und mehr das Mutterkreuz als Ehrung.

Durch den Missbrauch wurde der Muttertag in den Nachkriegsjahren mehr oder weniger abgeschafft – aber nicht vergessen. Doch schon Anfang der 50er Jahre wird der Ehrentag erneut aus der Taufe gehoben. Dabei wird der Brauch nur in der Bundesrepublik wiederbelebt, die DDR stürzte sich auf den Internationalen Frauentag, der am 8. März gefeiert wird.

Über die Bedeutung des Muttertages wird auch heute noch gestritten. Die einen wollen den Ehrentag jährlich aufs Neue abschaffen, die anderen werben jährlich für die Anerkennung der Mütter, die Floristen werben für den größten Strauß.

Gegen die Vereinnahmung des Ehrentages von Handel und Industrie wehrte sich Erfinderin Anna Marie Jarvis bis zu ihrem Lebensende – auch gerichtlich. Sie wollte den Tag lieber abschaffen, als ihn missbrauchen zu lassen – vergeblich. Der Tag sollte im Ursprung helfen, die Rechte der Frauen durchzusetzen. So sollte über das Frauenwahlrecht diskutiert werden. Geblieben ist davon nur der Blumenstrauß als Zeichen des Gedenktages.