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Der Faber-Verlag gerät mehr und mehr in die Fänge der NSDAP / Die letzte nicht parteieigene Zeitung der Region wird im August 1944 eingestellt Nach 300 Jahren stirbt die "Magdeburgische Zeitung"

Von Andreas Stein 20.08.2010, 07:30

Seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wandelte sich die deutsche Zeitungslandschaft. Wie keine andere Partei zuvor nutzten Hitler und die NSDAP Medien, um ihre Botschaft in jedes Wohnzimmer und möglichst jeden Kopf zu befördern. Flugblätter, Kino, Radioübertragungen über den "Volksempfänger" und die weitestgehende Gleichschaltung der einst vielfältigen Zeitungslandschaft – besonders Joseph Goebbels als Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda hatte eigene Pläne für die Zeitungen im Land.

Dazu kamen die Interessen der regionalen NSDAP-Verlage, die anfangs mit mit großen Verlusten arbeiteten und von der Partei finanziell am Leben gehalten werden mussten. Der Mitbegründer des Trommler-Verlages und Gauleiter Friedrich Loeper war Intimfeind des Faber-Verlags, seit die Magdeburgische Zeitung im November 1923 beim Hitler-Putsch getitelt hatte: "Hitler und Ludendorff verraten Reich!" Loeper, selbst am Putsch beteiligt, hatte das nie vergessen.

Die Auseinandersetzung zwischen Faber- und Trommler-Verlag mündete 1935, kurz vor Loepers Tod, in eine Zerschlagungskampagne mit Flugblattaktionen und Protestmärschen durch die Stadt. Doch der Verlag war mit Hitlers Ernennung zum Reichskanzler im Januar 1933 rechtzeitig auf NS-Linie umgeschwenkt, hatte in der Reichsregierung Fürsprecher wie den alten Faber-Freund Reichsarbeitsminister Franz Seldte, und selbst Goebbels sah in der ältesten deutschsprachigen Zeitung ein hohes Kulturgut, das zu erhalten sei.

Die Redakteure der Magdeburgischen Zeitung schafften den Spagat, linientreu und trotzdem auch sachlich zu berichten.

1935 entspannt sich die Lage etwas

Nach Loepers Tod im Oktober 1935 wurde der Ton zwischen Faber- und Trommler-Verlag sachlicher, was auch daran lag, dass die NSDAP-eigene Vera-Verlagsgesellschaft aus Berlin zwangsweise Anteile des Faber-Verlags erwarb. Die NSDAP übernahm auch die Magdeburger Tageszeitung und stellte sie ein. Nun gab es im Magdeburg nur noch General-Anzeiger, Magdeburgische Zeitung und der Mitteldeutsche. "Hier geht alles seinen Gang", notierte Fritz Faber 1937. Er kämpfte vor allem mit dem von der Vera installierten Schriftleiter (Chefredakteur) um qualitativ hochwertige Berichterstattung. Beim Blättern durch GA und Magdeburgische hatte man abseits der politischen Berichterstattung auch in dieser Zeit nicht das Gefühl, ein Nazi-Blatt zu lesen. Darum waren beide sehr beliebt.

Zu Kriegsbeginn verzeichneten die Faber-Blätter sogar eine leichte Auflagensteigerung – die Magdeburgische Zeitung brachte als einzige in der Stadt morgens bereits die neuesten Frontberichte, während der General-Anzeiger mit seinen unpolitischen Magazinthemen als ablenkendem Lesestoff immer beliebter wurde. Ähnlich wie im Ersten Weltkrieg schränkte der Krieg den Zeitungsbetrieb immer mehr ein. Papier wurde knapp, Personal wurde eingezogen, die Wehrmacht zog als Mieter in das Faber-Hochhaus ein. Im Mai 1941 gab es eine erste Stilllegungswelle der Reichspressekammer: 550 deutsche Zeitungen fielen weg, GA und MZ wurden zusammengelegt.

Im August 1944 ist endgültig Schluss

Im August 1944 veranlasste die Reichspressekammer die dritte Schließungswelle. Nun erwischte es auch die Magdeburgische Zeitung. Sie wurde zugunsten des Neuen Magdeburger Tageblattes eingestellt, Fritz Faber musste seine restlichen Anteile am Verlag an die NSDAP verkaufen.

In der Bombennacht des 16. Januar 1945 wurde auch das ehemalige Volksstimme-Verlagsgebäude in der Großen Münzstraße zerstört, in dem seit 1933 der Trommler-Verlag saß. Ab der Nacht zum 18. Januar wurde die Gesamtauflage des Mitteldeutschen bis zum Zusammenbruch des NS-Regimes in der Druckerei der stillgelegten Schönebecker Zeitung in Schönebeck gedruckt.

Die Ausgaben des Trommler-Verlages erschienen mindestens bis Mitte März 1945, als die Reichspressekammer den Umfang aller Zeitungen auf zwei Seiten reduzierte. Doch bereits am 24. Januar war mit den Aachener Nachrichten die erste deutsche Zeitung in den Händen der Alliierten. Das letzte Nazi-Blatt erschien am 29. April in Berlin: Der Panzerbär. Die Familie Faber floh mit ihren drei Kindern vor der nahenden Roten Armee in den Westen Deutschlands, da der Faber-Verlag zu den Unternehmen gerechnet wurde, die Kriegsverbrechen begangen haben. Fritz Faber als NSDAP- und SS-Mitglied wäre in Gefahr gewesen.

Um den Traditionsverlag, die über 300 Jahre alte Magdeburgische Zeitung und das Erbe seines berühmten Vaters zu retten, hatte Fritz Faber mit den Nationalsozialisten kollaboriert. Zwar hoben sich die Faber-Blätter bis zuletzt von der dumpfen Propaganda des Trommler-Verlags ab. Aber das Regime setzte bewusst auf die Doppelwirkung der "graubraunen" Berichterstattung der Kollaborateure im Zusammenspiel mit dem "Tiefbraun" der Parteizeitungen.