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Naturschutz Jagd auf "Problemwölfe" doch möglich?

In Deutschland leben immer mehr Wölfe. Während sich Naturschützer über den Zuwachs freuen, sehen andere eine wachsende Gefahr.

08.11.2017, 12:16

Berlin (dpa) l Zum Umgang mit verhaltensauffälligen Wölfen wollte das Bundesamt für Naturschutz (BfN) am Mittwoch eigentlich ein neues Konzept vorlegen – als Hilfestellung für Behörden in den Ländern. Doch daraus wurde nichts, der Termin wurde spät am Dienstagabend auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben. Hintergrund ist die Umweltministerkonferenz nächste Woche, bei der das Thema auf der Tagesordnung steht. Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschafts- und Umweltminister Till Backhaus (SPD) hatte erklärt, er halte es für "nicht förderlich", wenn die Minister der Bundesländer vor vollendete Tatsachen gestellt würden. Dennoch ist die Frage der Bejagung jetzt wieder auf dem Tisch.

Denn in einem Auszug ist das neue Konzept schon veröffentlicht – in einer BfN-Zeitschrift. Der Text liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Anhand dessen übt der Deutsche Jagdverband (DJV) massive Kritik am amtlichen Naturschutz: Die Vorgehensweise sei "naiv". Skizziert werde eine "Bauernhofidylle", in der Wolf und Mensch auf engstem Raum friedlich nebeneinander leben. Eine solche Koexistenz sei ebenso "abwegig" wie die Vorstellung, der Wolf sei eine blutrünstige Bestie. Aktuell gebe es in Deutschland einen europaweit einzigartigen und risikoreichen "Feldversuch nach dem Motto "Versuch und Irrtum"", so der Verband. "Die Finnen reagieren auf Nahkontakte viel offensiver, Problemwölfe werden erlegt", erklärte Helmut Dammann-Tamke vom DJV.

In dem Auszug nennen die Autoren mehrere Szenarien und geben Empfehlungen. Der Abschuss von "Problemwölfen" wird als letztes Mittel geschildert. Er wird etwa empfohlen, wenn sich ein Wolf Menschen gegenüber "unprovoziert aggressiv" verhält. Und dann, wenn ein Vergrämen nach mehrfacher Annäherung an Menschen auf weniger als 30 Meter keinen Erfolg brachte. Eine generelle Bejagung von Wölfen lehnen die Autoren ab: Dies verhindere das Auftreten von Problemwölfen nicht. Mit dem Erstellen des insgesamt umfangreicheren Konzepts hatte das BfN die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Wolf (DBBW) beauftragt.

"Kein Handlungsbedarf" bestehe, wenn ein Wolf in der Dunkelheit durch Siedlungen laufe oder im Hellen in Sichtweite von Häusern gesichtet werde, heißt es weiter. Erst wenn er über mehrere Tage Häusern nähere, sei eine nähere Analyse nötig. Und Anreize wie etwa Futterquellen müssten entfernt werden. Allgemein halten die Autoren fest: Die Zahl dokumentierter Wölfe mit auffälligem Verhalten in Deutschland sei "sehr gering". Problematisch sei das Anfüttern der Tiere, da sich derart konditionierte Wölfe für Menschen interessierten. Daraus könnten unter Umständen gefährliche Situationen entstehen.

Backhaus forderte "schnellstmöglich einen rechtssicheren und bundeseinheitlichen Handlungsrahmen" im Umgang mit Wölfen, "die ein notorisch unerwünschtes Verhalten aufweisen". Nach seinen Angaben ist die Zahl der Wolfsrudel in Deutschland inzwischen auf 60 gestiegen, das wären 13 mehr als nach dem Stand vom Vorjahr.

Die meisten Wölfe in Deutschland leben in Brandenburg und Sachsen, seit im Jahr 2000 wieder ein Wolfspaar aus Polen zuwanderte. Vorher waren die Tiere lange Zeit ausgerottet. Heute sind sie streng geschützt. Gleichzeitig gibt es Ängste in der Bevölkerung, Schäden bei Nutztierhaltern und Forderungen, den Schutzstatus zu lockern.