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Neue Schleuse Löcher stopfen für 20 Millionen Euro

Die Wände der Schleuse Wusterwitz sind mit mehr als 1000 Löchern übersät. Jetzt die Reparatur. Kosten: 10 bis 20 Millionen Euro.

Von Jens Schmidt 09.07.2020, 01:01

Magdeburg l Im September rücken an der Schleuse Wusterwitz Wasserstrahler an. Aus denen pfeffert Wasser mit 1000 Bar Druck auf die Innenwände der Schleuse. Einem so harten Strahl hat selbst Beton nichts entgegenzusetzen. Etwa 30 Zentimeter müssen runter. Auf einer Länge von rund 15 Metern. Dann kommt eine Schalung davor und neuer Beton rein. Doch das ist nur ein Test. Verläuft der gut, geht das im nächsten Jahr so weiter bis die Oberflächen beider Schleusenwände komplett neu betoniert sind. Jede Wand ist 220 Meter lang. Bis zu 20 Millionen Euro kostet die gesamte Aktion. Der Aufwand ist hoch. Doch dafür gibt es zwei triftige Gründe.

Der Wasserweg von Magdeburg bis Berlin wird auf Vordermann gebracht, damit moderne und große Binnenschiffe mit bis zu 2,80 Metern Tiefgang voll beladen durch die Kanäle schippern können. Daher werden der Elbe-Havel-Kanal vertieft und neue Schleusen gebaut. Das schafft Platz für 2000-Tonnen-Pötte sowie 185 Meter lange Schubverbände. Der Bau gehört zu den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit. Eigentlich sollte 2019 alles fertig sein. Eigentlich.

Ein Grund der Verzögerung liegt in Wusterwitz auf halber Strecke zwischen Magdeburg und Brandenburg. Dort wurde von 2008 bis 2013 eine neue Schleuse gebaut. Die alte ist zu klein für die modernen Schiffe. Kurz vor der Eröffnung aber kam der Schock: Arbeiter montierten gerade ein paar Haltestangen an die Schleusenwände – da platzte plötzlich Beton ab. Die Stellen waren weich wie Kreide. Das Wasserstraßen-Neubauamt in Magdeburg ließ die Wände untersuchen. Ergebnis: Mehr als 1000 Löcher. Beide Schleusenwände sahen aus wie ein Schweizer Käse. Amt und die renommierte Baufirma Heitkamp rätseln: So etwas hatte es in 100 Jahren Wasserbau noch nicht gegeben.

Die Firma wollte die Löcher verspachteln. Das Amt lehnte ab. Zu gefährlich: Womöglich dringt Feuchtigkeit ein und greift die Stahlbewehrung an. Das Gericht wurde eingeschaltet, ein Gutachter beauftragt. 2017 wollte er die Expertise vorlegen, doch dann verunglückte der Professor während seines Sommerurlaubs. Ein neuer Gutachter wurde bestellt. Der legte voriges Jahr eine Analyse und mehrere Sanierungsvorschläge auf den Tisch.

Stimmte die Chemie im Beton nicht? Oder wurde er zu lange transportiert? Der Gutachter favorisiert einen anderen Grund: Der Beton wurde offenbar zu lange gerüttelt – und hatte sich dabei „entmischt“. Doch darüber streiten die Parteien noch. Ehe das Beweisverfahren abgeschlossen, die Schuld- und Bezahlfragen geklärt sind, vergeht noch Zeit. „Bestimmt drei oder vier Jahre“, schätzt Burkhard Knuth, Chef des Neubauamtes. So lange will der Bund nicht warten. 2023 soll der Schifffahrtsweg von Magdeburg bis Brandenburg auf modernstem Stand sein. Das geht nur mit einer funktionstüchtigen neuen Schleuse in Wusterwitz. Also startet jetzt die Reparatur und die Bundeskasse schießt die Kosten vor. Auf 10 bis 20 Millionen Euro wird es wohl hinauslaufen, meint Knuth. Kalkuliert waren einst 65 Millionen Euro Baukosten. 63 Millionen Euro sind bereits geflossen, nun werden es mehr als 80 Millionen Euro.

Reparieren wird die Schleuse genau jene Firma, die die Löcher-Schleuse einst gebaut hatte. Knuth erklärt: So erspare man sich einen weiteren zähen Streit über die Höhe der Reparaturkosten. Hätte ein anderes Unternehmen den Zuschlag erhalten, hätte die alte Firma die Kostenhöhe anfechten können. So ist es deren Kalkulation. Wie viel davon das verantwortliche Unternehmen oder Zulieferer mal tragen, entscheidet das Gericht.