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Notfälle Jeder fünfte Retter in Sachsen-Anhalt zu spät

In zwölf Minuten soll ein Rettungswagen an jedem Ort im Land zur Stelle sein. In jedem fünften Fall klappt das nicht.

Von Janette Beck 12.06.2019, 01:01

Magdeburg l Die Überschreitung von Hilfsfristen, vor allem durch den Rettungsdienst, ist ein Daueraufreger. Das entsprechende Landesgesetz sieht vor, dass die Hilfsfrist von maximal zwölf Minuten für Rettungswagen (RTW) in 95 Prozent aller Notfälle eingehalten wird. Die Praxis sieht anders aus: 2018 erfüllte kein einziger Landkreis diesen Richtwert. Der Landesschnitt lag bei 81 Prozent – jeder fünfte RTW kam demnach zu spät. Besonders schlecht schnitten der Harz (69,47 %), der Landkreis Stendal (73,87 %) und Halle (75,26  %) ab. Magdeburg ist dagegen mit 89,19 Prozent spitze.

Die Träger der Rettungsdienste sehen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt und verweisen auf Unwägbarkeiten, die nicht in ihren Händen liegen: gleichzeitige Einsätze in einem Gebiet, lange Anfahrtswege, Stau, Baustellen, Wetterunbilden. Michael Walter, Kreisbereitschaftsleiter des DRK, das den Rettungsdienst in 65 Wachen im Land sicherstellt, meint: „Das Grundproblem ist, dass Sachsen-Anhalt ein Flächenland ist. Das bedeutet sehr weite Anfahrtswege – auch zu den Krankenhäusern.“ Im Harz kämen oft schlechte Witterungsbedingungen dazu.

Zudem steigen die Alarmierungszahlen von Jahr zu Jahr. Walter: „Ich kann da sicher für alle Hilfsorganisationen und auch die privaten Anbieter sprechen: Wenn wir gebraucht werden, dann rennen alle. Da macht keiner langsam.“ Um die Hilfsfristen zu verkürzen, brauche es „ein dichteres Netz an Rettungsmitteln – sprich mehr Rettungswagen und Personal“.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Rüdiger Erben, bezeichnet die Lage als „weiterhin katastrophal“. Seit Jahren drängt er auf eine Verbesserung und sieht dabei das Innenministerium als zuständige Behörde in der Pflicht, die Rettungswachen und -mittel „bedarfsgerecht aufzustocken“. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) verspreche zwar seit 2015, für eine Einhaltung der Vorgaben sorgen zu wollen, „doch mittlerweile sind die schlechten Zahlen in einigen Landesteilen ein Dauerzustand“.

In einer Antwort auf Erbens kleine Anfrage begründet das Ministerium die Überschreitung der Hilfsfristen, deren Festlegung Landessache ist – in Thüringen beträgt sie bis zu 17 Minuten, in Mecklenburg-Vorpommern 10 Minuten –, mit „ungewöhnlichen Umständen“ wie Glatteis, Straßensperrungen, hoher Fallzahl. Womit Quoten unterhalb der 95 Prozent-Grenze „als ausreichend anzusehen sind“.

Lutz-Georg Berkling, Bereichsleiter im Innenministerium, erklärte auf die Volksstimme-Anfrage: „Das Ministerium teilt die Wertung eines unbefriedigenden Zustandes nicht.“ Der Trend sei positiv: Die seit 2015 geführten Gespräche mit den Betroffenen und die Aufstockung der Rettungswachen von 108 (2014) auf 125 (2018) sowie der Zahl der RTW von 163 auf 198 hätten „zu einer insgesamt positiven Entwicklung der Hilfsfristen bei den Rettungswagen von plus 4,77 Prozent geführt“. Erben ist das zu wenig: „Die Durchsetzung der Hilfsfristen in allen Landesteilen gehört ganz oben auf die Agenda im Innenministerium.“