Kommunalwahlen NPD: Vom "Kümmerer" zum Verkümmerer
Die NPD wird zur Kommunalwahl am 25. Mai nur etwa 100 Kandidaten ins Rennen schicken, weit weniger als bei den letzten Wahlen. Die Rechtsaußen-Partei könnte zwar wieder in einige Kommunal-Parlamente einziehen, der große Wurf wird aber ausbleiben.
Magdeburg l Eher selten tauchen seit Anfang Mai die NPD-Plakate am Straßenrand auf. Nicht zu vergleichen mit den Materialschlachten der vergangenen Wahlen. Auch öffentliche Auftritte der Kandidaten gibt es so gut wie keine. Rund 100 Bewerber haben sich, meist gleich mehrfach, für Kommunalparlamente aufstellen lassen. 2007 bzw. 2008 waren es weit mehr.
Die einzige vom Verfassungsschutz beobachtete rechtsextreme Partei in Sachsen-Anhalt ist vor allem südlich von Magdeburg aktiv. Nördlich gibt es nur eine Enklave im Landkreis Stendal. Dort fällt nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes besonders der Kandidat Heiko Krause auf. Er kommt aus Tangerhütte und soll in der Altmark seine Karriere bei den Freien Kräften der Neonazi-Szene gestartet haben. Inzwischen ist der 45-Jährige stellvertretender Landesvorsitzender der NPD. Vor zwei Jahren konnte er mehr als 100 rechtsradikale Gesinnungsgenossen in der Altmark mobilisieren, die zum Protest gegen zwei ehemalige Sicherungsverwahrte in Insel aufmarschierten.
David Begrich, Extremismusexperte vom Verein Miteinander: "Er führt sich in Tangerhütte auch ein wenig wie ein Statthalter auf, hat aber keinerlei überregionale Wirkung." Mit sechs weiteren Kandidaten tritt Krause für den Kreistag an. In Tangerhütte kandidiert er mit dem Kreisvorsitzenden Sebastian Klein und Angela Hennig für den dortigen Stadtrat.
Vor allem in Magdeburg geht die Partei extrem geschwächt in den Kommunal-Wahlkampf 2014. Hier war 2009 der Politik-Student Matthias Gärtner in den Stadtrat eingezogen. Er blieb aber politisch weitgehend isoliert. Seit seinem Austritt aus der NPD im Jahr 2012 sitzt er parteilos im Stadtrat.
Zur Kommunalwahl 2014 haben für die zehn Wahlbereiche überhaupt nur zwei Kandidaten in Magdeburg die nötigen Unterstützerunterschriften zusammenbekommen. Vier weitere scheiterten schon an diesem Versuch.
Anders sieht die Lage im Salzlandkreis aus. Dort haben Landeschef Peter Walde und Schatzmeisterin Heidrun Walde es geschafft, 16 Bewerber ins Rennen zu schicken. Sechs mehr als bei der Wahl 2007. Während Philipp Valenta wegzog, behielt Heidrun Walde ihren Sitz.
Im Landkreis Harz ist die Kandidatenliste für den Kreistag zwar von 14 Bewerbern im Jahr 2007 auf zwölf leicht zusammengeschrumpft. Mit Matthias Heyder und Michael Grunzel treten dort aber zwei der übrig gebliebenen Protagonisten der vergangenen Wahlen an.
Letzterer ist erst in dieser Woche nach eigenen Angaben wieder zum Pressesprecher der Landes-NPD ernannt worden. Auf die Frage, warum seine Partei so geschwächt in den Wahlkampf geht, sagt Grunzel: "Viele haben Angst, sich mit ihrem Namen auf einen Wahlschein setzen zu lassen. Offenbar werden wir inzwischen als Freiwild angesehen. Mir selbst ist kürzlich in Halberstadt das Auto zerstört worden."
Auch für die verhaltene Plakat-Werbung findet Grunzel verärgert eine Begründung: "Ob wir nun hundert oder tausend Palakte aufhängen, die sowieso wieder abgerissen werden. Das spielt am Ende keine Rolle." Man habe in diesem Jahr deshalb mehr auf Steckaktionen in den Briefkästen gesetzt. 90.000 Flyer werde er allein im Harz verteilen.
Am Geld liege die Wahlkampfzurückhaltung aber nicht. Jedem Kreisverband stünden 500 bis 600 Euro zur Verfügung, hinzu kämen Spenden. Extremismus-Experte Begrich zeigt sich da aber eher skeptisch: "Die Partei dürfte finanziell völlig am Ende sein." Personell ist die NPD im Burgenlandkreis noch am stärksten vertreten, obwohl sie auch dort mit geschwächter Mannschaft antritt. Begrich: "Das ist ein Sonderfall. Die Partei konnte sich hier als regionale Hochburg verankern."
Neben dem Harz sei der dortige Kreisverband der einzige, der überhaupt mit so etwas wie Sacharbeit in den Kommunalparlamenten aufgefallen sei. "Ansonsten ist die Bilanz der Arbeit überhaupt nicht messbar. Eine Kümmererpartei muss sich auch kümmern, das kann sie aber gerade nicht", so Begrich. Er sieht das Ziel der flächendeckenden Etablierung der Partei als gescheitert an. Nach der Landtagswahl 2011, als die NPD den Einzug verfehlte, habe der Landesverband personell, finanziell und inhaltlich abgebaut. Begrich: "Bei dieser Kommunalwahl geht es im Grunde nur darum, den Status zu halten und zu überleben."
Zudem werde auch der Kuchen der Protestwähler kleiner, auf die es bisher die Partei abgesehen hatte. Selbst Grunzel befürchtet, dass die Alternative für Deutschland (AfD) seine Partei erheblich Stimmen kosten könnte.
Auch Jochen Hollmann, Leiter des Landesverfassungsschutzes, meint: "Die politisch extremistische Arbeit der NPD ist kaum noch wahrnehmbar." Er schließt nicht aus, dass die gegenwärtig milde unauffällige Gangart auch mit dem laufenden Verbotsverfahren zusammenhängt.
Am 3. Dezember vergangenen Jahres hatte der Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Verbot der NPD eingereicht. Dabei stützt sich der Antrag unter anderem auch auf ein Gutachten des Münchener Instituts für Zeitgeschichte. Die Wissenschaftler sehen darin das politische Programm der NPD weitestgehend identisch mit der Ideologie der NSDAP.
Professor Eckhard Jesse, Inhaber einer Professur für "Politische Systeme, Politische Institutionen" an der Technischen Universität Chemnitz, meint hingegen: "Die Partei hat bei ihrem desolaten Erscheinungsbild wohl keine Zukunft. Das Verbotsverfahren ist für sie eher eine Chance, weil sie auf diese Weise öffentliche Aufmerksamkeit erhalten kann. Ich halte es deshalb auch nicht für sinnvoll."
Die Talfahrt der NPD dürfte sich nach Meinung des Professors auch bei den Landtagswahlen im August dieses Jahres in Sachsen fortsetzen. "Es ist unwahrscheinlich, dass die Partei erneut in den Dresdener Landtag einzieht", sagt er.
Derzeit hat die NPD neben Sachsen auch noch Sitze im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Udo Pastörs, aktueller NPD-Parteichef, führt dort die Fraktion an. Erst im Herbst 2016 sind wieder Landtagswahlen in Schwerin.
Parteichef Pastörs unterlag übrigens in der Abstimmung beim Bundesparteitag im Januar dieses Jahres zum Spitzenkandidaten für die Europawahl dem 61 Jahre alten Ex-Parteichef Udo Voigt (bis Ende 2011). Pastörs zog daraufhin seine Europa-Kandidatur zurück. Voigts Comeback könnte nun weitere Machtkämpfe in der wohl größten Krise der 50-jährigen Existenz der Partei auslösen. Angesichts des Wegfalls der Drei-Prozent-Hürde für die Europawahl rechnet der Politologe Jesse mit einem Einzug Voigts ins Europaparlament. "Er dürfte dort aber politisch isoliert bleiben."
Für Begrich stellt in Sachsen-Anhalt aber nicht die NPD das eigentliche Problem dar. "Die viel größere rechtsextreme Gefahr geht von den Freien Kräften aus der Neonazi-Szene aus", sagt er. Dass im Norden Sachsen-Anhalts die NPD kaum zur Wahl antritt, heiße noch lange nicht, dass es dort keine Rechtsradikalen gab.
"Im Gegenteil, die Freien Kameradschaften haben ein wesentlich höheres Gefahrenpotenzial. Sie können auch über Einzelbewerber in die Parlamente gelangen", sagt er. Der Landesverfassungsschutz zählte 2012 rund 1100 unstrukturierte Rechtsextreme und Neonazis. Für das Jahr 2013 wird der aktuelle Bericht am Montag nach der Wahl vorgelegt.