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Opel-Fans Der Verkauf ist eine Befreiung

Manta, Fuchsschwanz, Heckantrieb. Opel ist Kult. Kommt mit dem Verkauf an Peugeot die alte Größe?

Von Alexander Walter 15.03.2017, 00:01

Magdeburg l „Wir sind die Jungs von der Opelgang, wir haben alle abgehängt“, so röhrt es Toten-Hosen-Sänger Campino 1984 in die Mikrofone bei den Punk-Konzerten seiner Band. Was als Parodie auf den Opel-Hype gedacht ist, wird allerdings schnell zum Lebensgefühl einer ganzen Generation. Zu sehr ist Opel Kult in den 80er Jahren, nicht nur in Düsseldorf. Der Manta ist dabei der aus Sicht vieler Opel-Fans Blech gewordene Traum eines günstigen Sportwagens und der überlegene Gegenentwurf zum verhassten VW Golf GTI. Der Hype um Heckantrieb, Fuchsschwanz und die lässigen Typen hinter den Lenkrädern bringt das ewige Duell zwischen VW und Opel mit den Streifen „Manta Manta“ und „Manta, der Film“ schließlich sogar in die Kinos. Es sind goldene Jahre für Opel. Und Wachstumsbeschleuniger für Opel-Fanclubs, die nach der Wiedervereinigung auch in Sachsen-Anhalt wie Pilze aus dem Boden schießen.

Genau dieser Kult ist es, der auch Philip Reinhold alias Pepe zu seinem Opel gebracht hat. „Seitdem ich meinen Führerschein habe, bin ich Opel-Fan“, erzählt der 28-Jährige vor wenigen Tagen beim Stammtisch seines Fan-Clubs „Kuhfelder Opel Crew“ im Bowling-Center Odeon im altmärkischen Salzwedel. Pepe fährt einen blauen Manta, Baujahr 1983 – inklusive Fuchsschwanz, versteht sich. Seitdem er den Wagen 2011 für 6500 Euro gekauft hat, hat er Hunderte Stunden in das Auto investiert und rechnet mit einem Wert von inzwischen weit mehr als 10 000 Euro. „Schrauben ist eine Lebenseinstellung“, sagt er. Doch warum ausgerechnet an einem Opel? Einfach weil die Marke die schönsten Old- und Youngtimer hat, sagt Pepe. „Die Autos haben Form und Seele und sehen viel besser aus als die von VW“, sagt der 28-Jährige und lacht. So wie Reinhold sehen das viele in Sachsen-Anhalt. Die Opel AG listet zwischen Arendsee und Zeitz 24 aktive Fan-Clubs auf. Und doch macht es die Marke mit dem Blitz ihren Anhängern derzeit wieder einmal besonders schwer. Nach dem 2009 sprichwörtlich im letzten Moment gestoppten Verkauf der General-Motors-Tochter an den kanadischen Magna-Konzern soll Opel nun tatsächlich den Besitzer wechseln. 1,3 Milliarden Euro legt die französische PSA-Gruppe für die Marke auf den Tisch will und damit zum zweitgrößten Autobauer nach Volkswagen in Europa aufsteigen.

Fest steht schon jetzt: Es ist das Ende einer Ära. Nach 88 Jahren in der Hand der Amerikaner wird Opel in die Hand der Konkurrenz aus Frankreich übergeben und damit trotz Arbeitsplatzgarantien bis 2018 wohl in eine ungewissere Zukunft denn je entlassen. Maßnahmen zur Steigerung der Effektivität der Werke haben die neuen Besitzer bereits angekündigt. Bleibt die Frage: Ist der Verkauf der Anfang vom Ende der Marke oder wird Opel gar vom Verkauf an PSA profitieren?

Wer sich unter Opel-Fans im Land umhört, kann das Aufatmen in der Szene über den Verkauf deutlich vernehmen:

Am klarsten formuliert es Stefan Boche, Vorsitzender des Vereins Opel IG Halle-Saale, der selbst drei Autos mit dem Blitz auf der Kühlerhaube besitzt: „Etwas Besseres hätte Opel nicht passieren können“, sagt der 28-Jährige. Opel unter dem Dach des US-Autobauers General Motors ist für ihn eine Geschichte des Niedergangs. Mit Modellen wie Senator, Ascona oder Rekord habe sich die Marke noch in den 70er und 80er Jahren Weltruf erarbeitet, sagt Boche. „Der Senator wurde als Staatskarosse gefahren.“ Spätestens mit dem Vectra, Astra oder Corsa aber habe die Schluderei begonnen. „GM hat gespart, die Karossen schlecht verarbeitet und lackiert“, sagt Boche. „Die Wagen rosteten ja schon in den Autohäusern vor sich hin.“

Während VW nach ähnlichen Schwächen beim Golf I beim Nachfolgemodell dazulernte, habe GM es bei den Einsparungen belassen und dann auch noch die Entwicklung der effektiven Dieselmotoren verschlafen. Die Folge: Ein Imageschaden, der noch dadurch verschlimmert wurde, dass Opel nach dem Willen der Manager von GM nicht in die Wachstumsmärkte Asien, Afrika oder die Vereinigten Staaten exportieren durfte. Der Verkauf sei deshalb eine Befreiung, sagt Boche. Wie die meisten in der Szene hofft der Hallenser, dass Opel künftig endlich weltweit agieren darf.

Doch nicht nur das. Viele Opel-Fans erhoffen sich vom Verkauf die Rückkehr zu alten Tugenden. Quentin Heeger von der Kuhfelder Opel-Crew etwa wünscht sich die Wiederbelebung des Heckantriebs, der mit der Einstellung der Produktion des Omega 2003 auslief und mit dem sich so wunderbar „driften“ lässt, wie die Opelfahrer sagen. „Das ist einfach Kultsache“, sagt der 33-Jährige, der selbst vier Opel in der Garage stehen hat, darunter einen 73er Kadett C – natürlich mit Heckantrieb.

Christian Schröder von den East Lightnings (Ost-Blitze) aus Hakenstedt im Bördekreis hofft vor allem, dass Opel in den Motorsport zurückkehrt. Bis 2005 sei die Marke bei den Deutschen Tourenwagen Meisterschaften (DTM) aktiv gewesen, sagt er. Doch GM habe Probleme mit ineffizienten Motoren gehabt. „In den USA war das ja kein Thema, da sind 20 Liter auf 100 Kilometer der Lacher“, sagt er. Auch das Aus bei den DTM sei deshalb letztlich das Verdienst von General Motors gewesen, glaubt Schröder.

Über die Rückehr ins Motorsport-Geschäft dürften sich die Entwickler bei Opel derzeit allerdings die geringsten Sorgen machen. Wieder einmal kämpft Opel mit seinen vier deutschen Standorten in Bochum, Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach ums Überleben. Erstaunlich: Trotz des Auf und Ab seiner Geschichte kann die Marke auf eine der treuesten Anhängerschaften auf dem Auto-Markt bauen. BMW, Audi und Mercedes mögen die Automessen dieser Welt dominieren. Die besten Partys feiern die Opelliebhaber. Und einige der angesagtesten Feten finden in Sachsen-Anhalt statt. Die Motosport-Arena Oschersleben etwa bittet vom 15. bis 18. Juni zum 22. Mal mit Vollgas nach „Opelsleben“. Mehr als 15 000 Besucher mit mehreren Tausend Fahrzeugen werden dazu erwartet. Längst haben sich aber auch kleinere Opel-Treffen in der Szene etabliert. Im altmärkischen Kuhfelde etwa erwarten die Mitglieder der Opel-Crew vom 5. bis 7. Mai rund 300 Fahrzeuge zum inzwischen 6. Opel-Treffen. Und am Bergwitzsee bei Wittenberg lädt das Blitz-Geschwader Ost vom 21. bis 23. Juli zum 3. „Berg Blitz See“ Familien-Opel-Treffen.

Am Ende sind nicht wenige über solche Treffen erst zur Marke gekommen. Christian Schröder etwa von den East Lightnings. Früher habe er einen Golf gehabt, erzählt er. Doch dann kaufte er sich einen alten Omega und fuhr damit zu einem Opeltreffen. „Das war wie ein Familientreffen“, schwärmt Schröder. „Wenn man erstmal in der Szene ist, will man nicht wieder hinaus.“

Die offene und tolerante Atmosphäre bei Opeltreffen schätzt auch Nico Hentschel von der Kuhfelder Opel Crew. Während es bei VW-Treffen zuverlässig Ärger gebe, sobald ein Opel auftaucht, seien Opelfans offen für alle Marken, sagt Hentschel.

Alles gut also zwischen der Traditionsmarke und ihren Fans in Sachsen-Anhalt? Nicht ganz. Opel hat leider kein Interesse an Fan-Treffen, sagt Manta-Fahrer Philip Reinhold alias Pepe. Die Kuhfelder etwa hätten für ihre Treffen mehrmals um Werbematerial beim Autobauer gebeten, aber nichts bekommen. „Bei Ford ist das anders“, sagt Pepe. Die kriegen eine ganze Euro-Palette an Artikeln. Die Liebe zwischen Opel und seinen Fans, am Ende erscheint sie ein wenig einseitig. Doch die Marke mit dem Blitz hat Glück, ihre Anhänger erwarten nicht viel, um zufrieden zu sein. „Ich wünsche mir einfach, dass Opel VW künftig in den Schatten stellt“, sagt Fan Stefan Boche. Wenn PSA das hinkriegt, wäre es wohl Zeit für einen neuen Opel-Song der Toten Hosen.