Medizin Plastikherz als allerletzte Chance
In Sachsen-Anhalt zum ersten Mal einem 56-jährigen Patienten ein komplettes Plastikherz implantiert. Ein Eingriff in letzter Minute.
Magdeburg l Der Patient liegt auch sechs Wochen nach seiner Herzoperation noch auf der Intensivstation. Er wird künstlich ernährt, hat infektiöse Schübe und um ihn herum arbeiten lebenserhaltende Maschinen. Hin und wieder wird der Magdeburger in den Schlaf versetzt. Aber er lebt und ist stabil.
Und das ist ein Wunder, sagt Professor Jens Wippermann, der Chef der Herzchirurgie am Magdeburger Universitätsklinikum. Er und sein Team haben den Langzeitherzkranken vor einigen Wochen operiert und der Spezialist ist sich auch heute noch sicher: „Ohne den Eingriff wäre der Patient gestorben. Die OP war die Ultima Ratio – der letztmögliche Weg –, um den Todkranken zu retten.
Der 56-Jährige war in der Kardiologie schon längere Zeit bekannt als jemand, der ein schwaches Herz hat. Er litt unter einer „Minderdurchblutung der Herzkranzgefäße“. Der Herzmuskel war sehr schwach. Und immer, wenn es ihm wieder schlechter ging, kam er zur Behandlung in die Uniklinik. Im wurden mehrere Bypässe eingesetzt. „Auch mit der Charité stand er in Kontakt“, weiß Wippermann.
Dann kam der Zusammenbruch. Mit Blaulicht wurde der alleinlebende Magdeburger zur Notaufnahme gefahren. Auf dem Weg dorthin musste er dauerreanimiert werden. „Schon da war er mehr tot als lebendig“, erinnert sich der Herzspezialist. „Wir konnten ihn vorerst am Leben halten. Allerdings nur mit Hilfe der Herz-Lungen-Maschine. Und das geht natürlich nur eine sehr begrenzte Zeit.“
Für Wippermann gab es, nachdem die ersten Befunde auf dem Tisch lagen und klar war, dass das Gehirn durch den Durchblutungsmangel nicht in Mitleidenschaft gezogen worden war, nur eine letzte Möglichkeit: Das Einsetzen eines TAH (aus dem Englischen hergeleitet T für total, A für artificial (künstlich) und H für heart (Herz). Nicht nur das Implantieren einer Herzkammer, wie das im Normalfall passiert, sondern das Ersetzen des kompletten Organs.
Doch bevor es überhaupt dazu kommen konnte, stand vor den Spezialisten eine sehr hohe Hürde: Der Patient hatte keine Patientenverfügung. „Ich kann nicht einfach einem Patienten ein Herz implantieren, ohne dass es in irgendeiner Art und Weise eine Zustimmung gibt. Der Kranke war nicht in der Lage dazu. Die Entscheidungslast lag bei seinem volljährigen Kind.“ Eine schwere Bürde.
Wippermann erklärte in mehreren Gesprächen die zwei Möglichkeiten: Entweder eine Operation oder das Abstellen der lebenserhaltenden Maschinen nach sieben Tagen. Letztlich bekam der Herzchirurg die Einwilligung für den Eingriff.
Es war keine Zeit zu verlieren. Ein Spezialistenteam – vier Chirurgen, zwei Narkoseärzte, zwei Kardiotechniker und Mitarbeiter der OP-Pflege – entnahmen in einer sechsstündigen Operation dem Patienten das kranke Herz und setzten das Plastikherz ein. Da eine Batterie zu schwach wäree, um die 85 000 Euro teure „Pumpe“ schlagen zu lassen, benötigt das Herz einen externen Antrieb, einen Kompressor. Er treibt das Organ über zwei Schläuche an.
Professor Wippermann nennt den Eingriff einen „Meilenstein für die Patientenversorgung der Region“. Wie selten solcherart Operationen sind, zeigt, dass es deutschlandweit lediglich 20 Menschen mit einem TAH-System gibt.
„Die Verpflanzung von Kunstherzen, die eine Herzkammer unterstützen, ist für die Magdeburger Uniklinik kein Neuland“, sagt Wippermann. „Anders hingegen sieht das mit einem TAH-Herzen mit Klappen aus Carbon aus, ein System, das in den USA, im US-Bundesstaat Utah, entwickelt wurde.“
Allerdings hat der Operateur während seiner Zeit an der Universität in Köln bereits vier Patienten mit einem TAH versorgt. „Allerdings standen da die Zeichen anders“, so der 45-Jährige. „Diese Schwerkranken konnten längere Zeit auf den Eingriff vorbereitet werden.“
Eine Dauereinrichtung ist das Plastikherz für den Patienten allerdings nicht. „Fünf Jahre ist die Obergrenze“, sagt Wippermann. Bis dahin muss ein Spenderherz zur Verfügung stehen, das dann gegen das Plastikherz ausgetauscht wird.“ Die Chancen für den 56-Jährigen stehen nicht zuletzt aufgrund seines aus Transplantationssicht geringen Alters nicht schlecht.