Kritik Poggenburg beklagt Stimmungsmache
Sachsen-Anhalts AfD-Landeschef André Poggenburg sieht sich nach der Kritik an seiner "Kameltreiber"-Rede in der Opferrolle.
Magdeburg l André Poggenburg versteht die Aufregung um seine „Kameltreiber“-Rede überhaupt nicht. Die heftige Kritik an seinen abfälligen Äußerungen über in Deutschland lebende Menschen türkischer Herkunft wies er in einer verbreiteten Erklärung als „Stimmungsmache“ zurück. Zwar habe er „hart und grob formuliert“, eine „direkte Beleidigung oder Herabsetzung anderer Nationalitäten“ liege ihm aber „völlig fern“.
„Beim Politischen Aschermittwoch wird gewöhnlich sehr pointiert gesprochen“, sagte Poggenburg. „Man teilt aus und muss – nicht zuletzt als Repräsentant der AfD – auch einstecken können.“ Es sei „allgemeiner gesellschaftlicher Konsens, dass zum Fasching, speziell zum Aschermittwoch, derbe und angreifende politische Reden gehalten werden“. Und überhaupt, so Poggenburg im Volksstimme-Gespräch: „Nach der Rede haben mir über 1000 Leute im Stehen applaudiert.“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, Sebastian Striegel, sagte: „Poggenburgs Rassismus ist inakzeptabel, seine Äußerungen sind aus meiner Sicht volksverhetzend.“ Linke-Fraktionschef Thomas Lippmann betonte: „Die rassistischen Äußerungen Poggenburgs werden immer häufiger, immer unverblümter und immer unerträglicher.“ Wer Bürger dieses Landes qua ihrer türkischen Wurzeln mit Begriffen wie „Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“ belege und über deren kollektive Abschiebung sinniere, der „bewegt sich ganz bewusst und eindeutig in einem Bereich, für den wir den Straftatbestand der Volksverhetzung kennen“.
Die Rede führte zu empörten Reaktionen in der Bundes- und in der Landespolitik wie auch bei der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Die Nachricht wurde weltweit verbreitet. So berichtete etwa die Washington Post online über den Vorfall.
In Deutschland schaltete sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ein. „Was ich sehe ist, dass es Politiker gibt, die Maßlosigkeit in der Sprache, Rücksichtslosigkeit und Hass in ihrer Haltung zu einer eigenen Strategie machen", sagte er. „Ich hoffe nur, dass sich die Bürger dieses Landes nicht vor diesen Karren spannen lassen."
Bundes-Justizminister Heiko Maas (SPD) bezeichnete Poggenburg als „Rassist".
Stefan Conen, Strafverteidiger in Berlin, schätzt eine mögliche Klage als erfolgreich ein. „Aus der Aussage ergibt sich ein strafrechtlich relevanter Kern“, sagte er dem RBB.
Aus Sachsen-Anhalt, wo die AfD als zweitstärkste Kraft im Landtag sitzt, kamen zornige Reaktionen. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte: „Die AfD demaskiert sich selbst. Die Äußerungen sind verunglimpfend und beleidigend; sie schüren vorsätzlich Hass in Deutschland. Damit disqualifiziert sich die AfD für den demokratischen Diskurs."
CDU-Landesvize Holger Stahlknecht erklärte: „Bleibt Poggenburg, ist die AfD auf dem Weg in den braunen Abgrund – bereits jetzt mutiert sie durch innerparteilich unwidersprochene Äußerungen ihres Landesvorsitzenden zur NPD light."
Auch Linke und Grüne reagierten empört. Die AfD-Bundesführung beließ es bei einer zurückhaltenden Mahnung.
AfD-Bundeschef Jörg Meuthen sagte, beim Politischen Aschermittwoch gehe es „bekanntermaßen gerne mal verbal auch etwas derber“ zu. In der Sache stellte er sich zwar hinter den Parteifreund, sagte aber auch: „Die Wortwahl André Poggenburgs geht dessen ungeachtet deutlich zu weit und hätte nicht vorkommen sollen.“ AfD-Bundesvorstandsmitglied Steffen Königer wurde deutlicher: „Beim politischen Aschermittwoch ist es normal, dass man sich deftig äußert. Aber das ist nicht deftig, das ist Dummheit.“
AfD-Politiker sind wiederholt mit Verbalattacken gegen türkischstämmige Menschen aufgefallen. Im Bundestagswahlkampf hatte Spitzenkandidat Alexander Gauland davon gesprochen, die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz „in Anatolien zu entsorgen“. Zur Poggenburg-Rede sagte Özoguz, der AfD-Politiker stelle sich „außerhalb der demokratischen Grundordnung“. Der „bürgerliche Putz“ der AfD bröckele, „ihr Fundament ist braun“.
Poggenburg hatte in seiner zwölfminütigen Rede in Nentmannsdorf (Sachsen) auch Kritik der Türkischen Gemeinde an der geplanten Schaffung eines Heimatministeriums aufgegriffen. Unter großem Jubel der rund 700 AfD-Anhänger schrie er in den brodelnden Saal: „Diese Kümmelhändler haben selbst einen Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern am Arsch, für den sie bis heute keine Verantwortung übernehmen. Und die wollen uns irgendetwas über Geschichte und Heimat erzählen? Die spinnen wohl! Diese Kameltreiber sollen sich dahin scheren, wo sie hingehören. Weit, weit, weit hinter den Bosporus zu ihren Lehmhütten und Vielweibern. Zugleich äußerte Poggenburg Kritik an der doppelten Staatsbürgerschaft, die nichts anderes hervorbringe „als heimat- und vaterlandsloses Gesindel".
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu sagte: „Solche Beleidigungen kann man nicht ignorieren und stillschweigend hinnehmen." Der Verband werde Anzeige wegen Volksverhetzung stellen. Auch der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg kündigte eine Strafanzeige wegen des Verdachts auf Volksverhetzung und Beleidigung an. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat bereits ein sogenanntes Prüfverfahren gegen Poggenburg eingeleitet. Hintergrund ist die Strafanzeige einer Privatperson. Auf Youtube wurde ein Mitschnitt der Rede Poggenburgs mittlerweile gelöscht. Das Video sei entfernt worden, "weil es gegen die Youtube-Richtlinie zum Verbot von Hassrede verstößt", heißt es auf der Internetseite.