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Polizeigewerkschaft: Polizeinachwuchs bringt kaum Entlastung

Ein besonders großer Ausbildungsjahrgang sollte das große Signal werden, dass die Zeit des Personalsparens bei Sachsen-Anhalts Landespolizei vorbei ist. Geht der Plan auf?

31.08.2020, 15:12
Klaus-Dietmar Gabbert
Klaus-Dietmar Gabbert dpa-Zentralbild

Aschersleben/Magdeburg (dpa/sa) - Mit einem besonders großen Jahrgang von Nachwuchspolizisten wollte die Landesregierung für mehr Ordnungshüter sorgen, doch jeder fünfte hielt nicht durch: Von ursprünglich fast 700 Polizeianwärtern, die Sachsen-Anhalt 2017 eingestellt hat, können nur knapp 540 in den Dienst übernommen werden. Rund 150 Nachwuchspolizisten schieden vorzeitig aus oder bestanden die Anforderungen nicht, wie Innenministeriums-Sprecher Stefan Brodtrück der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Laut Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist die Abgängerquote von 20 Prozent die höchste, die es je gab. Normal seien Quoten zwischen sieben und 12 Prozent, sagte GdP-Landeschef Uwe Bachmann der dpa. Aus seiner Sicht liegt das Hauptproblem in der schnellen Erhöhung der Plätze. "Über Jahre hat Sachsen-Anhalt 150 Polizeianwärter eingestellt, dann kurz 300 bis 350 und dann wurde auf einen Schlag verdoppelt", sagte Bachmann. Die Einstellungskriterien seien zu stark gelockert worden, um möglichst alle Plätze zu füllen.

Die hohe Zahl an Abbrechern zeige aber auch, dass die Qualität der Polizeiausbildung nicht nach unten geschraubt wurde, sondern unverändert anspruchsvoll geblieben sei. "Das müssen wir auch beibehalten, denn Qualität geht bei allen Personalnöten über Quantität", sagte Bachmann weiter.

Die Gründe für die vielen vorzeitigen Abgänge sind vielfältig und reichen von Entlassungen auf eigenen Wunsch und nicht bestandenen Prüfungen über Dienstuntauglichkeit, fehlende Führerscheine oder Sportleistungen bis hin zu Straftaten.

Die Fachhochschule der Polizei verabschiedete am Montag in Aschersleben die letzten Absolventinnen und Absolventen aus dem großen 2017er Jahrgang, die in der regulären Ausbildungszeit fertig geworden sind. Knapp drei Dutzend sollen wegen Krankheit, Elternzeit und ähnlichem ihre Ausbildung etwas später beenden.

Die schwarz-rot-grüne Landesregierung hatte nach der Landtagswahl 2016 beschlossen, deutlich mehr Polizistennachwuchs auszubilden. Deswegen wurde die Zahl der Anwärterinnen und Anwärter an der Fachhochschule von einem Jahr auf das nächste von 350 auf 700 verdoppelt. Damit wollten die Koalition und Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) das Signal aussenden, dass die Zeit des jahrelangen Personalabbaus bei der Polizei vorbei ist. In den Folgejahren lag die Zahl der Einstellungen zwischen 450 und 550 pro Jahr. Ziel ist es, bis Ende nächsten Jahres 6400 Ordnungshüter im Einsatz zu haben.

Trotz des großen Schwunds beim größten Nachwuchs-Jahrgang steigt die Zahl der Polizeibeamten laut Innenministerium tatsächlich wieder an. Bereits im vorigen Jahr seien mehr Nachwuchspolizisten nach abgeschlossener Ausbildung in den Dienst übernommen worden als ältere Kollegen in Rente gegangen seien, sagte Sprecher Brodtrück.

Wenn die neuen Absolventen am Dienstag ihren Dienst antreten, gibt es Berechnungen des Innenministeriums zufolge wieder mehr als 6060 Polizisten. Das sind knapp 250 mehr als im September 2019 und 320 mehr als vor drei Jahren.

Doch klappt das perspektivisch auch mit dem Ziel der Koalition, bis Ende nächsten Jahres 6400 Polizisten auf Sachsen-Anhalts Straßen zu haben? Ein wesentliches Vorhaben der Landesregierung werde als erfüllt betrachtet, so der Innenministeriumssprecher: "Laut Prognose wird zum 31. Dezember 2021 eine Personalzahl von 6349 Polizeivollzugsbeamten erreicht."

Die Polizeigewerkschaft GdP sieht das etwas anders: Das bisherige Personalplus werde aber durch zusätzliche Aufgaben wie die dauerhafte Bewachung von religiösen Einrichtungen seit dem Terroranschlag von Halle wieder geschmälert, sagte Bachmann. Der Wunsch von Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) und Polizeivertretern, extra Wachpersonal für diese Aufgabe einzustellen, sei vom Landtag abgelehnt worden. "Somit entlastet uns zusätzliches Personal allein nicht, solange wir im gleichen Maße zusätzliche Aufgaben bekommen."