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Polizeihunde Sachsen-Anhalts Spürnasen für Eurobanknoten

Der Polizeihund Ilay hat eine Spürnase für Eurobanknoten. Der Schäferhund ist einer von 76 Polizeihunden in Sachsen-Anhalt.

Von Matthias Fricke 14.08.2018, 01:01

Magdeburg l Wie ein Staubsauger beschnüffelt Ilay jeden einzelnen Quadratmeter der Wohnung eines Drogendealers in Magdeburg. Dabei atmet der belgische Schäferhund mehr als 300-mal in der Minute ein und aus.

So kann er ständig neue Partikel aus der Luft ansaugen und analysieren. Dazu stehen dem belgischen Schäferhundrüden rund 250 Millionen Riechzellen zur Verfügung. Zum Vergleich: Seinem Herrchen, Polizeihauptmeister Jens Krüger, stehen gerade mal fünf Millionen zur Verfügung.

„Seine Trefferquote ist sehr hoch“, sagt der Polizist und ist voller Lob für seinen vierbeinigen Kollegen. Der Auftrag für Kommissar Spürnase: Er soll verstecktes Geld aus dem Drogenhandel des Verdächtigen in einer Magdeburger Wohnung finden.

Fixiert ist der Hund dabei auf Euro-Banknoten aller Art. Besser gesagt auf den beim Drucken verwendeten Farbstoff, der einen speziellen Geruch ausdünstet.

Wenn Polizeihauptmeister Krüger den Befehl „Such!“ gibt, dann arbeiten die Riechzellen von Ilay auf Hochtouren. In diesem Fall dauert es nicht lange und an einer Reisetasche bleibt der Hund starr stehen. „Wir nennen es Einfrieren“, sagt Polizeihauptmeister Krüger. Das zeigt dem Beamten an, dass der Hund etwas entdeckt hat.

Während es jetzt für den Drogendealer ernst wird, hat Ilay nur ein „Spiel“ gewonnen. Denn für die aufgefundenen Banknoten bekommt der Vierbeiner als Belohnung sein Spielzeug und eine extra Streicheleinheit.

Für ihn ist es einer von jährlich mehr als ein Dutzend Euro-Schein-Einsätzen im Jahr. Parallel zu seiner Geld-Fixierung kann der sechs Jahre alte Schäferhund übrigens dank einer dualen Spezialausbildung auch alle gängigen Drogensorten erschnüffeln.

In beiden Fällen zeigt er seinen Fund an, auch wenn es die geringsten Spuren oder Massen sind.

Allerdings: Selbst wenn Ilay durch die Flure der Europäischen Zentralbank laufen würde und der Hund sich in einem Raum voller Geldscheine befinden würde, bleibt er gelassen. Krüger: „Er ist nur im Suchmodus aktiv, wenn ich den Befehl dazu gebe. Ansonsten interessiert ihn das Geld nicht.“

Die Leiterin der Diensthundeführereinheit Kerstin Neuser: „Eigentlich kann man Hunde auf alles konditionieren, was einen speziellen Geruch hat.“ So können die Hunde neben Fährten auch Sprengstoff und Leichen aufspüren.

In der Justiz werden seit wenigen Jahren sogar Handy-Spürhunde eingesetzt, die auf die in den SIM-Karten verbauten Metalle fixiert sind. Die Tiere sollen die kleinen oft bei den Gefangenen versteckten Mini-Karten aufspüren, die gerne in die Justizvollzugsanstalten geschmuggelt werden.

Bei Ilay erfolgt das Training mit druckfrischen Banknoten, die besonders intensiv und klar nach der frischen Farbe riechen. Aus diesem Grund ist Polizeihauptmeister Krüger mit seinem Vierbeiner auch oft mit einem Geldkoffer voller nigelnagelneuer Banknoten im Wert von 100 000 Euro unterwegs. Doch die Seiten zu wechseln, würde sich nicht lohnen. Es sind nur 40 Prozent einer jeden Banknote und zusätzlich als „ungültig“ abgestempelt. „Die Bundesbank geht da lieber auf Nummer sicher“, schmunzelt Krüger. Die Konditionierung auf Banknoten machte sich in den letzten Jahren erforderlich, weil im Zusammenhang mit den Ermittlungsverfahren im Bereich der organisierten Kriminalität auch immer häufiger das dabei eingenommene Geld eine sehr wichtige Rolle spielt.

Nicht nur beim Rauschgifthandel. So war Ilay zum Beispiel auch bei Durchsuchungen im Fall der Radladerbande im Einsatz, um die aus den Geldautomaten erbeuteten Scheine ausfindig zu machen. Beim Training oder Einsatz sind der Spürnase allerdings auch Grenzen gesetzt.

„Die Arbeit mit der Nase ist für ihn wie ein Hochleistungssport. Nach 20 Minuten braucht auch er eine Pause, sonst lässt bei ihm die Konzentration nach“, sagt sein Herrchen. Beide sind als Team übrigens unzertrennlich, auch nach Feierabend. Denn der Hundeführer hält seinen Vierbeiner zu Hause auf dem eigenen Grundstück. Er wird dort auch von Krüger versorgt. Das Land Sachsen-Anhalt stellt dem Team einen Hundezwinger und zahlt im aktiven Dienst eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 80 Euro im Monat für Futter und Ausrüstung. Zudem wird dem Beamten eine Stunde Dienstzeit für die Betreuung gutgeschrieben.

Der Vorteil: Hundeführer und Vierbeiner sind perfekt miteinander abgestimmt. Nach der Gassi­runde zu Hause kann auch das tägliche Training auf dem Hundeplatz beginnen. „Ich hole dann entweder den Koffer mit den Geldscheinen oder die Drogen aus dem Tresor und dann geht es los“, erklärt Krüger.

Wie bei den Banknoten stehen dem Polizisten auch echte Drogen für das Training zur Verfügung. Von jeder Sorte gibt es eine geringe Menge. Krüger: „Dafür habe ich natürlich unterschrieben und die werden auch regelmäßig genau gewogen.“

Allein der Polizeidirektion Nord stehen insgesamt 26 Diensthunde vom Sprengstoff- bis zum Leichenspürhund zur Verfügung.

„Im vergangenen Jahr waren die Diensthunde rund 1409-mal in unserem Bereich im Einsatz“, erklärt die Leiterin der Einheit Neuser. Am häufigsten waren mit knapp tausend Einsätzen die Fährtenhunde durch die Polizeidienststellen zwischen Harz und Altmark gefragt.

Sie wurden knapp tausend mal angefordert. Gefolgt werden sie von den Rauschgift- (171) und den Sprengstoffeinsätzen (125). Letztere Spezialhunde werden zurzeit häufiger angefordert, weil wegen der Bedrohungslage vor allem Veranstaltungsräume vorab häufiger nach Sprengstoff abgesucht werden müssen.

Ausgebildet und angekauft werden Sachsen-Anhalts Diensthunde von der Diensthundeführerschule (DHFS) in Pretzsch bei Bad Schmiedeberg im Landkreis Wittenberg. Auch für die Hundeführer ist das ein wichtiger Ort. Denn dort erhalten auch die Polizisten ihre Ausbildung zum Führen der tierischen Kollegen. „412 Lehrgangsteilnehmer haben im vergangenen Jahr eine Aus- und Fortbildung besucht“, teilte die Polizeidirektion Ost auf Nachfrage mit. Inzwischen werden dort auch für die Justiz in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Hessen die Hunde ausgebildet. Zum Ausbildungsprogramm gehören seit einigen Jahren auch sogenannte Mantrailer, die speziell zum Aufspüren von Personen eingesetzt werden.

Nach seiner aktiven Laufbahn als Banknotenspürhund darf Ilay seine Pension übrigens bei seinem Herrchen verbringen. „Da wird sich für ihn nicht viel ändern. Der Hund bleibt nach seinem aktiven Dienst in der Familie“, erklärt Jens Krüger.

Je nach Leistungsfähigkeit dürfen die Vierbeiner nach bis zu zehn Lebensjahren in den Ruhestand treten. Dafür bekommt der Hund als „Rente“ beziehungsweise sein Herrchen vom Land Sachsen-Anhalt 55 Euro im Monat für Pflegekosten und eine Futterpauschale.

Auch die Tierarztkosten übernimmt das Land im vollen Umfang, auch nach der aktiven Dienstzeit. „In dieser Beziehung ist in den letzten Jahren eine Menge passiert“, sagt Neuser.

Zumal gerade die Schutzhunde bei den Einsätzen nicht selten auch ihr Leben aufs Spiel setzen, wenn sie zum Beispiel einen bewaffneten Täter festsetzen sollen. Neuser: „Zum Glück ist noch keiner unserer Hunde in den letzten Jahren bei einem Einsatz ums Leben gekommen.“

Vor einigen Monaten war bei einem SEK-Einsatz in Fulda (Hessen) einer von zwei Diensthunden tödlich verletzt worden. Dieser hatte einen 63-jährigen Mann außer Gefecht setzen sollen, der in einem Mehrfamilienhaus um sich schoss. Dem zweiten Hund gelang dieses schließlich.

Auch mit der neuen Polizeistruktur werden nach Angaben des Innenministeriums die Diensthunde den geplanten vier Polizeiinspektionen Stendal, Magdeburg, Dessau und Halle angegliedert. Sprecher Stefan Brodtrück: „Die Polizeiinspektion Zentrale Dienste wird perspektivisch die Koordinierung der Einsatzplanung für die Spezialhunde übernehmen.“