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Polizeischule Jeder zehnte Polizeischüler bricht ab

Die Landespolizei wartet händeringend auf Nachwuchs. Doch jeder zehnte Polizeischüler aus Aschersleben kommt nicht in den Revieren an.

Von Matthias Fricke 05.12.2018, 00:01

Magdeburg l Schon wieder musste die Polizeischule in Aschersleben in den vergangenen Tagen Polizeianwärter „wegen charakterlicher Nichteignung“ suspendieren oder Disziplinarverfahren einleiten. In Sangerhausen waren zum Beispiel zwei 18-jährige Polizeianwärter vor einem Nachtclub in eine Schlägerei verwickelt. Bei einer Halloween-Party verstand ein 17-Jähriger die dortige Kostümpflicht offenbar falsch und nutzte dafür seine Uniform. In einer Unterrichtsstunde malte außerdem ein 18-jähriger Polizeischüler ein Hitlerbärtchen auf das Konterfei seiner Englischlehrerin. Inzwischen laufen aktuell 31 Disziplinarverfahren gegen Polizeianwärter, sagt der Rektor der Fachhochschule Frank Knöppler. 16 mit dem Ziel der Entlassung. Sieben wurden bereits vollzogen.

Doch diese Zahlen allein sind es nicht, die der Polizei Sorge bereiten. Knöppler sagt im Volksstimme-Interview: „Alles in allem muss man von zehn Prozent ausgehen, die pro Jahrgang das Ziel nicht erreichen.“ Der größte Teil davon schafft nach seinen Angaben das Studium nicht und fällt durch die Prüfung, obwohl diese zweimal wiederholt werden darf.

Die Folge: Allein von den 700 Neueinstellungen im vergangenen Jahr dürften mindestens 70 in der Landespolizei nicht ankommen. Das würde in etwa dem Personalbestand des Wasserschutzes in Sachsen-Anhalt entsprechen. Knöppler: „Die Abbrecherquote ist im Vergleich zu der Zeit vor 2010 merklich gestiegen.“ Erst vor einigen Tagen habe er mit seinen Länder-Kollegen gesprochen. Auch dort sei der Tenor ähnlich.

Der Bundeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt: „In Ländern wie Nordrhein-Westfalen fehlen dadurch sogar ganze Hundertschaften.“ Nach Angaben von Peter Meißner, Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), liegt die Abbrecherquote bundesweit bei etwa zwölf Prozent. In Niedersachsen zum Beispiel, wo es nur Studiengänge zum Polizeikommissar gibt, erhielten jetzt von den 811 Studierenden nur 693 ihre Urkunde. Auch hier fielen die meisten Anwärter durch die Prüfung. Matthias Karsch, Niedersächsischer Landeschef des BDK, hat einen Verdacht: „Manche wollen auch durchfallen. Damit sie die Studienentgelte nicht zurückzahlen müssen. Das sind monatlich mehr als tausend Euro.“ Auch in Sachsen-Anhalt müssen die Studierenden zum Polizeikommissar die Gelder zurückzahlen, wenn sie die Ausbildung abbrechen. Es sei denn, sie schaffen die Prüfung nicht. Der Rektor in Aschersleben hat aber auf solche bewussten „Durchfaller“ keine Hinweise.

Die Polizeigewerkschaften fordern nun bei den Neueinstellungen den Schwund, zum Beispiel die zehn Prozent, zu berücksichtigen. „Sonst kommen wir nie dahin, wo wir hinwollen“, so DPolG-Landeschef Wolfgang Ladebeck. Sein Kollege Uwe Bachmann von der Gewerkschaft der Polizei: „Das Land muss dringend nachjustieren.“