Kartoffelpreise im Keller Preise fallen ins Bodenlose: Kartoffelbauern in Sachsen-Anhalt senden Alarmsignale
Weil die Anbauflächen in Europa stark gewachsen sind, herrscht momentan ein Überangebot an den Knollen. Das spüren die Erzeuger extrem.

Magdeburg. - Eigentlich hätte Landwirt Philipp von Bodenhausen allen Grund, zufrieden zu sein. Auf 170 Hektar baut er bei Tundersleben (Landkreis Börde) Kartoffeln an. Und die Ernte war in diesem Jahr zufriedenstellend. Zwar machte sich die Glasflügelzikade an einigen Stellen bemerkbar, jedoch richtete der Schädling noch kein Fiasko an. Trotzdem hat von Bodenhausen ein großes Problem: Die Preise für sein Produkt rauschen seit einigen Wochen rapide in den Keller.
Nach Schätzungen des Bauernbundes Sachsen-Anhalt liegt der Ladenpreis für Speisekartoffeln momentan bei durchschnittlich einem Euro pro Kilogramm – deutlich weniger als in der jüngeren Vergangenheit. „Zuletzt sind die Kartoffelpreise im Lebensmitteleinzelhandel um bis zu 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken. Landwirte hingegen bekommen für ihr Produkt mindestens 60 Prozent weniger als im Vorjahr“, sagt von Bodenhausen. Denn sie verkaufen ihr Produkt in der Regel über einen Zwischenhändler an den Lebensmitteleinzelhandel. Und der drückt diese Erzeugerpreise auf ein niedriges Niveau.
Was die Kunden freut, versetzt die Bauern in Nervosität. „Bei dieser Marktlage liegen wir mit dem Preis deutlich unter Produktionskosten“, sagt von Bodenhausen. Nennenswerte Umsätze könne man in dieser Situation nur mit Kartoffeln machen, die vertraglich gebunden sind. „Da sind Umfang und Vergütung langfristig vereinbart“, sagt der Landwirt. Dies trifft vor allem auf sogenannte Industriekartoffeln zu, die zu Chips oder Pommes frites verarbeitet werden.
Seine Speisekartoffeln vermarktet von Bodenhausen allerdings am freien Markt. „Die Abpackbetriebe und der Lebensmitteleinzelhandel sind die Hauptprofiteure von unserem Produkt“, so von Bodenhausen. Martin Dippe, Präsident des Bauernbundes, schätzt, dass momentan nur fünf bis zehn Cent pro Kilo bei den Bauern ankommen. Das zeige, „wie eng der Spielraum ist, um profitabel zu produzieren“.
Der Grund für den Preisabsturz ist relativ simpel. Es herrscht ein krasses Überangebot. „Die Anbaufläche in ganz Europa ist in den vergangenen Jahren deutlich größer geworden“, sagt Dippe. Allein in Deutschland wuchs sie laut Bundeslandwirtschaftsministerium im Vergleich zum vergangenen Jahr um 6,7 Prozent auf 310.000 Hektar. Entsprechend liegen die Erträge um bis zu fünf Prozent höher als im langjährigen Durchschnitt.
Dass Landwirte sich der Knolle verstärkt zuwenden, liegt daran, dass der Anbau bis zu diesem Jahr meist sehr einträglich war. In der Folge entschieden sich viele Landwirte, ihren Umfang zu vergrößern. Parallel stiegen viele Bauern neu ins Geschäft ein.
Diese Kombination sorgt nun für eine Überschwemmung des Marktes. Alteingesessene Kartoffelbauern wie die von Bodenhausens, die seit mehr als 30 Jahren im Geschäft sind, können dem wenig entgegensetzen. Das Überangebot hat solche Ausmaße angenommen, dass einige Landwirte gar nicht mehr versuchen, ihre Ware zu verkaufen. „Sie liefern den Überschuss gleich an Biogasanlagen“, sagt Dippe.