Deichtrasse wächst weiter in Richtung Breitenhagen / 2018 soll Projekt abgeschlossen sein Reaktion auf die Jahrhundertflut 2002: Deichrückverlegung bei Lödderitz ist Realität
Die Deichrückverlegung zwischen Aken und Breitenhagen schreitet planmäßig voran. Gegenwärtig ist Bewegung auf dem Bauabschnitt nahe Lödderitz. Das Projekt resultiert aus der "Jahrhundertflut" 2002.
Lödderitz l Pausenlos pendeln schwere Kipper auf der zukünftigen Deichtrasse. Sie fahren Erde und Kies heran, kippen sie ab, eine Walze ist unablässig am Verdichten. Es staubt mächtig. Ein Storch hält respektvoll Abstand zu soviel Technikgetümmel. Noch vor einem Jahr wiegte sich hier das Getreide im Wind. Wo gegenwärtig ein Zwischenlagerplatz für "bindiges Material" entsteht, gruben im August 2011 Archäologen Siedlungsreste der frühen Eisenzeit aus.
80 Prozent der Flutflächen in 200 Jahren entzogen
Immer mittwochs trifft sich der Baustab in der ehemaligen Gemeindeverwaltung Lödderitz. "Wir sind in der vorgegebenen Zeit, alles läuft nach Plan", sagt Jörg Priebe, Geschäftsführer des Neuruppiner Planungsbüros. Was nicht zuletzt daran liegt, dass es seit Baubeginn kaum nennenswerte Hochwasser gab.
Projektträger ist die Umweltstiftung World Wide Fund For Nature (WWF) Deutschland, Bauherr der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW). Die Finanzierung der rund 27,8 Millionen Euro trägt zu 75 Prozent der Bund, zu 15 Prozent das Land und zu 10 Prozent der WWF.
Dr. Astrid Eichhorn, Leiterin WWF-Projektbüros "Mittlere Elbe" erinnert an den Impuls zur Deichrückverlegung: "Die Bundesregierung hatte 2002 als Reaktion auf das Elbe-Hochwasser ein Fünf-Punkte-Programm erstellt. Darin wird unter anderem gefordert, den Flüssen mehr Raum zu geben." Durch Deichrückverlegungen werden natürliche Überschwemmungsgebiete wieder hergestellt.
Ein WWF-Papier macht deutlich, dass der Mensch in den vergangenen 200 Jahren 80 Prozent der natürlichen Überflutungsflächen für sich in Anspruch nahm: Die Auen mussten Gewerbegebieten, Industrieanlagen oder landwirtschaftlichen Nutzflächen weichen. Damit gefährdete man nicht nur zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, auch das Hochwasserrisiko entlang der Elbe stieg. Flussbegradigungen, höhere Deiche und durch den Klimawandel tendenziell stärkere Niederschläge verschärfen diese Situation in Mitteleuropa noch", sagt Astrid Eichhorn.
Im November 2009 gab Landesumweltminister Hermann Onko Aeikens (CDU) den symbolischen Startschuss für die Deichrückverlegung bei Lödderitz. Der Minister ist davon überzeugt: "Die Deichrückverlegung bringt Natur- und Hochwasserschutz zusammen." Der Auenwald profitiere von der Renaturierung, die Bevölkerung profitiere vom besseren Schutz vor Deichbrüchen durch größere Überflutungsflächen.
Neuer Deich rückt weiter an Lödderitz heran
Die Lödderitzer sind davon allerdings nicht restlos überzeugt, da der neue Deich weiter an das Dorf heran rückt. Man befürchtet eine zunehmende Vernässung der Keller, weil die Elbe tiefer ins Land kommt. Aus diesem Grund wurde zur Beweissicherungspflicht jedes einzelne Grundstück erfasst.
Ängste wie diese kennt Astrid Eichhorn. Schon vor zwei Jahren sagte sie beinahe philosophisch: "Naturschutz ist immer eine schmale Gratwanderung. Egal wie man es anfängt, die Reaktionen sind die gleichen."
Die Rückverlegung erfolgt im Bereich des größten zusammenhängenden Hartholz-auenwaldes in Europa. Das Projektgebiet ist Teil eines der ältesten deutschen Schutzgebiete am "Steckby-Lödderitzer Forst". Bereits im Januar 1929 gab es dort eine anhaltische Anordnung zum Biberschutz und eine vertragliche Sicherung von 2000 Hektar als Vogelschutzflächen.
Im März 1961 war der Steckby-Lödderitzer Forst als Naturschutzgebiet unter Schutz gestellt worden, im November 1979 bestätigte die UNESCO die Ernennung des Gebietes als erstes deutsches Biosphärenreservat.
Die Deichbauarbeiten sollen bis 2018 andauern. Kies, Sand, Ton und Erde werden aus Gruben im Umfeld heran gefahren, die bei Sachsendorf, Drosa und Breitenhagen liegen. Zwischen 1000 und 2000 Kubikmeter werden an Wochentagen transportiert. Dazu wurden extra Baustraßen angelegt. Es sind ehemalige Feld- oder Waldwege, die man mit Schotter befestigte.