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Veranstaltung Blut und Boden auf der Bühne des Magdeburger Schauspielhauses

„Wolken.Heim.“ von Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek feierte am Magdeburger Schauspielhaus in einer Inszenierung des Hallensers Florian Hein Premiere.

Von Martin Rieß Aktualisiert: 18.04.2024, 11:00
Wolken.Heim im Magdeburger Schauspielhaus.
Wolken.Heim im Magdeburger Schauspielhaus. Foto: Katrin Ribbe/TM

Magdeburg. - Die österreichische Autorin Elfriede Jelinek ist eine der wichtigsten Stimmen im deutschsprachigen Theater. Im Jahr 2004 wurde sie mit dem Literaturnobelpreis geehrt. Am Theater Magdeburg hatte nun eine Inszenierung ihres bereits 1988 als Auftragswerk für das Theater Bonn verfassten Stückes „Wolken.Heim.“ Premiere. Regie führte Florian Hein.

Bei „Wolken.Heim“ handelt es sich um eine Collage. Ohne auf die einzelnen Urheber explizit hinzuweisen werden Zitate von Hölderlin, Hegel, Heidegger, Fichte und Kleist bis hin zu Texten der RAF miteinander verwoben. Im Zentrum steht der Begriff des Wir – nicht aber als verbindendes Element, sondern als Abgrenzung zu allem anderen, zu allem Fremden.

Chor auf der Bühne des Magdeburger Schauspielhauses

Regisseur Florian Hein teilt Jelineks Text auf Julia Buchmann, Oktay Önder, Michael Ruchter, Carmen Steinert aus dem Magdeburger Schauspielensemble und einen zehnköpfigen Chor auf. Da keine Rollenzuteilung erfolgt, werden Sprache und Musik zum Handlungsträger. Das Bühnenbild von Elizaweta Veprinskaja, eine in sich abgeschlossene Hügellandschaft, bildet den spielerischen Rahmen für einen mehrdeutigen Sehnsuchts- und Erinnerungsort. Einen Ort, den man aus Gemälden aus den 1930er Jahren kennt. Die Kostüme von Clemens Leander greifen dazu passend den Mythos vom Deutschsein auf. Der Verweis auf „Blut und Boden“ ist unverkennbar: Das arbeitsame Landvolk bewegt sich hier in einer Landschaft zwischen Fachwerkhaus, Ziehbrunnen und Holzkreuz.

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Trotz der klaren Bilder freilich ist die Inszenierung alles andere als einfach: Konzentrieren muss sich, wer die schnell vorgetragenen Texte aufnehmen möchte. Zeit zum inneren Widerhall bleibt da kaum. Doch dessen bedarf es auch nicht unbedingt, denn da sich alles um den alles andere ausgrenzenden Wir-Begriff dreht, kehren die einzelnen Gedanken als eine Art Echo immer wieder in einem anderen Gewand, in einer anderen Erscheinungsform wieder. Das mag ein wenig zäh erscheinen – ist aber dennoch eindrücklich.

Kern des Nationalismus

Denn Elfriede Jelinek und Florian Hein arbeiten den Kern des Nationalismus, aber auch anderer Ideologien heraus, deren Verwurzelung in den Köpfen der einzelnen Individuen auf einer wahrhaft hohlen Idee der Gemeinsamkeit beruht – die nämlich außer gemeinsamen Symbolen und dem Willen zur Abgrenzung auf keinen Gemeinsamkeiten beruht. Folglich sprechen die Akteure auf der Bühne immer wieder im Gleichklang – agieren dennoch auffällig getrennt voneinander. Dass Regisseur Florian Hein in seinen Arbeiten immer wieder auf einen Chor setzt, kommt dem Stück dabei zugute: Der Chor kann verstanden werden als Ort, an dem die Individualität des Einzelnen aufgelöst wird.

Stellt sich freilich die Frage, warum ein mehr als 35 Jahre altes Stück in der Optik der Blut-und-Boden-Ideologie und angereichert mit Figuren aus germanischer Mystik heute inszeniert werden muss. Florian Hein gibt zurückhaltende Antworten. Eine davon: Das Kreuz, zu Beginn eines der drei Motive auf der Bühne, wird mitten im Stück aus seiner Verankerung gehoben und in das Fachwerk des Hauses eingebaut. Sprich: Wenn ein Aspekt des Gedankengebäudes nicht mehr ins „Wolken.Heim.“ passt, wird er ausgemerzt, man lässt ihn hinter den anderen Symbolen verschwinden.

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Und auch wenn allen voran Julia Buchmann plötzlich auf der Bühne schrillbunt und mit dem Klappstuhl erscheint, weiterhin verhaftet in den immer wieder ähnlichen Texten vom großen hohlen Wir, wird deutlich: Der Gedanke dahinter ist eben nicht auf die Vergangenheit beschränkt: Er reicht gerade heute wieder weit hinein bis in die Gesellschaft. Er pflanzt sich immer wieder fort. Und man möchte ergänzen: Nicht allein in Deutschland, sondern nahezu allerorten.

Termine und Tickets

Vorstellungen sind bislang für den 20. und 26. April und für den 5., 19. und 26. Mai jeweils um 19.30 Uhr im Schauspielhaus des Theaters Magdeburg in der Otto-von-Guericke-Straße 64 geplant.

Karten gibt es – sofern verfügbar – an der Abendkasse im Schauspielhaus . Im Vorverkauf sind sie im Opernhaus am Universitätsplatz 9 (Telefon 0391/40 490 490 sowie im Web), unter anderem aber auch in allen Biberticket-Verkaufsstellen des Volksstimme-Services, online bei Biberticket sowie unter Telefon 0391/5999700 erhältlich.

Altersempfehlung: Das Theater Magdeburg empfiehlt „Wolken.Heim.“ für ein Publikum ab 15 Jahren.