Rückgabe an die Erben eines Juden Was es mit einem Kruzifix in einem Päckchen auf sich hat
Den Erben eines jüdischen Sammlers wird ein Kunstwerk zurückgegeben.

Magdeburg. - Auf dem Tisch im Deutschen Zentrum Kulturgutverluste liegt ein Päckchen, darin ein Christus. Das kleine Bronzekruzifix ist gut eingepackt gewesen, als es vor einigen Wochen von der Post in der Einrichtung in der Humboldtstraße von Magdeburg abgegeben wurde. Im Karton fanden die Mitarbeiter auch einen Zettel mit der Bitte um Rückgabe an die Erben. Als die Einrichtung mit dem Absender Kontakt aufnehmen wollte, stellte sich heraus, dass der eine falsche Adresse angegeben hatte.
Solch eine Zusendung habe es noch nie gegeben, sagt Gilbert Lupfer, Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste. Er erzählt, dass die Mitarbeiter sogleich recherchiert haben und in der vom Zentrum betriebenen Lost-Art-Datenbank auf das kaum 20 Zentimeter große und vermutlich aus dem 13. Jahrhundert stammende Kruzifix gestoßen sind. Bereits seit 2006 war es als Suchmeldung gelistet. Gestern nun ist es vertraglich an die Erben von Ottmar Strauss, dem einstigen Eigentümer (1878-1941), rückübertragen worden. Sie leben in den USA. Rechtsanwältin Imke Gielen: „Die Familie hat sich sehr gefreut.“ Sie bedankt sich in deren Namen herzlich beim anonymen Einsender.
Gielen erzählt vom wohlhabenden Unternehmer aus Köln, der eine große Villa und eine bemerkenswerte Sammlung von Antiquitäten und religiöser Kunst des Mittelalters zusammengetragen hatte. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Strauss rassistisch verfolgt und wurde bereits im Mai 1933 aus der von ihm mitbegründeten Firma Otto Wolff herausgedrängt. Die Rechtsanwältin spricht von der Emigration im Jahr 1936, und dass Strauss für die Flucht und die von den Nazis eingeforderten Zwangsabgaben gezwungen war, seine Kunstsammlung zu verkaufen. 1934/35 wurde sie in drei Auktionen im Kunsthaus Hugo Helbing veräußert – in der ersten Versteigerung kam unter der Losnummer 94 das Kruzifix unter den Hammer. Im Auktionskatalog ist es beschrieben als „Kruzifix, Korpus mit Krone, teilvergoldet, Lendentuch mit Email. Eingesetzte Augen, eines fehlt.“ Es soll für 350 Reichsmark verkauft worden sein. So ist es im Katalog vermerkt worden. Der Name des Käufers aber ist abgekürzt. Mit ihm verläuft sich der Weg des kleinen Kunstwerkes – bis heute.
2.000 Einträge bei Lost Art
Ottmar Strauss verstarb 1941, noch in Kriegszeiten. Imke Gielen erzählt, dass seine Nachkommen seit Jahren nach den Kunstgegenständen suchen. In der Lost-Art-Datenbank seien 2.000 Einträge unter dem Namen des Sammlers eingestellt. Bisher konnten mehr als 50 Objekte restituiert werden. Es höre sich nach wenig an, sagt die Rechtsanwältin und fügt sogleich an, dass das aber für die Familie ein Erfolg sei.
Die Datenbank wurde im Jahr 2000 gemeinsam von Bund und Ländern online geschaltet. Kostenfrei Zugriff haben Suchende und Findende wie Erben, Erbengemeinschaften, Rechtsnachfolger, Forscher, Institutionen wie Museen. Dort können Menschen nach ihren in der NS-Zeit entzogenen wertvollen Büchern, Gemälden, Skulpturen, Keramiken, Uhren suchen. Heute enthält sie mehr als 180.000 detailliert beschriebene Kulturgüter und mehrere Millionen summarisch erfasste Objekte aus dem In- und Ausland.
In den nächsten Tagen erhält das Kruzifix den Vermerk: Restituiert. Lupfer sagt, es habe sich gezeigt, welche große Bedeutung die Datenbank habe, den NS-Kunstraub wenigstens in Einzelfällen zu korrigieren.