Hauptstadtflughafen soll 40000 neue Stellen bringen - doch noch ist das Wachstum zaghaft Bauherren werben mit Arbeitsplätzen
Der Hauptstadtflughafen soll 40 000 neue Arbeitsplätze bringen - werben die Bauherren. Doch noch ist das Wachstum zaghaft. Alle Augen richten sich nun auf den Starttermin im Juni.
Berlin/Schönefeld (dpa) l Der künftige Hauptstadtflughafen in Schönefeld wird ganz allmählich zum Magneten für Handel und Gewerbe. Bislang profitiert nach einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa vor allem Brandenburg. Aber ob sich die hohen Erwartungen an den Jobmotor für 40 000 neue Stellen erfüllen, ist unklar. Die Neuansiedlungen um den Flughafen sind überschaubar. Betreiber und Wirtschaft erwarten aber, dass der Standort Fahrt aufnimmt, sobald Berlin Brandenburg Willy Brandt in Betrieb ist. Hauptprofiteur ist derzeit die Gemeinde Schönefeld.
Dort gibt es 1600 Unternehmen, die bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mitglied sind - 30 Prozent mehr als 2007. Bürgermeister Udo Haase sagte: "Wenn der Flughafen läuft, geht es richtig zur Sache." Die Gemeinde erwarte, dass sich ihre Einwohnerzahl von derzeit 14 000 auf mehr als 30 000 erhöhe.
Denn mit den Betrieben ließen sich auch deren Mitarbeiter samt Familien in Flughafennähe nieder - darauf hoffen auch Städte wie Königs Wusterhausen. Die Fördergesellschaften Berlin Partner und Zukunftsagentur Brandenburg zählten im vergangenen Jahr 93 Ansiedlungs- und Erweiterungsprojekte im Umfeld des Flughafens, die 4100 Arbeitsplätze brächten. Beispiele sind die Flugzeugwerften von Lufthansa, Air Berlin und Germania, der Ausbau des Umschlagszentrums der Bahn in Großbeeren und die Triebwerks-Technikzentren von Rolls-Royce in Dahlewitz und MTU in Ludwigsfelde. Im Umkreis von 30 Kilometern um den Flughafen liegen 34 Gewerbegebiete.
Auf dem Flughafen werden nach Angaben der Betreiber zum Start am 3. Juni 2012 etwa 20 000 Menschen beschäftigt sein. Berlin und Brandenburg erwarten, dass künftig 73 000 Arbeitsplätze in und um Schönefeld von dem neuen Airport abhängen - 40 000 mehr als von den alten Flughäfen in Tegel und Schönefeld. Dort arbeiten laut Betreiber insgesamt 17 800 Menschen. Hinzu kämen 15 000 in der Umgebung. Flughafen-Kritiker aus dem Umland glauben jedoch nicht, dass in Schönefeld ein Jobmotor anspringt. Vor Flughafenbauten gebe es oft große Prognosen - aber anschließend prüfe niemand, ob die Stellen wirklich geschaffen wurden, meint Thomas Czogalla von der Bürgerinitiative Teltow gegen Fluglärm. Er zweifelt an der Studie, auf der das Versprechen von 40 000 Arbeitsplätzen aufbaut. Die flughafenfinanzierte Studie basiere auf falschen Annahmen und zweifelhaften Hochrechnungen.
"Diese Rechnungen sind seriös", meint dagegen Bernhard Schodrowski, der Berliner IHK-Sprecher - auch wenn auf Berliner Seite noch keine Großansiedlungen zu verbuchen seien. In Adlershof ließen sich immerhin öfter auch Firmen nieder, weil ihnen die Flughafennähe wichtig sei. Schodrowski ist überzeugt: "Wir werden einen Sog in den Südosten Berlins bekommmen, wenn der Flughafen in Betrieb ist." Auch aus Sicht der Cottbuser IHK hat die Zukunft noch nicht ganz begonnen. "Wir sollten die Geduld nicht verlieren", meint der Leiter Standortpolitik, Jens Krause. "Frankfurt und München bestätigen: Die intensive Entwicklung beginnt nach der Eröffnung." In Brandenburg gebe es sichtbare Vorboten: Speiselieferanten der Fluggesellschaften bauten in Königs Wusterhausen und Wildau, Lebensmittelketten hätten Logistikstandorte in Mittenwalde eröffnet.
Generell sicherten sich die Unternehmen aber zuerst die 1A-Lagen direkt am Flughafen, dann erst profitierten Gemeinden im Umland. Die sichtbarsten Anzeichen für den Arbeitsplatz-Effekt gibt es deshalb auf dem Flughafengelände selbst. Die 150 Geschäfte im Terminal sind nach Betreiberangaben vermietet, in der Airport City davor entsteht ein Vier-Sterne-Hotel, ein Bürokomplex daneben ist laut Flughafen zu 70 Prozent vermietet. Eine Frachthalle in der Nähe ist ausgebucht.
Am westlichen Rand des neuen Flughafens, in Selchow, entsteht gerade ein neuer Messestandort, der das überlastete Gelände am Funkturm in Charlottenburg ergänzen soll. Alle zwei Jahre wird dort künftig die Internationale Luftfahrtausstellung ILA ausgerichtet. Den Anfang dort macht die Modemesse Panorama vom 4. bis 6. Juli. Flughafensprecher Leif Erichsen ist sicher: "Der Flughafen wird die größte Arbeitsstätte der Region."