Kommunen in Sachsen-Anhalt Höhere Gehälter im öffentlichen Dienst: Steigen jetzt Steuern und Gebühren?
Die Beschäftigten von Bund und Kommunen erhalten das größte Gehaltsplus der Nachkriegszeit. Doch das wird teuer für die Kommunen in Sachsen-Anhalt – und wahrscheinlich auch für die Bürger.

Magdeburg - Bürgermeister und Landräte in Sachsen-Anhalt betrachten die Tarifeinigung mit der Gewerkschaft Verdi mit Sorge. „Diesen Tarifabschluss werden wir alle teuer bezahlen“, sagt Andreas Dittmann (SPD), Präsident des Städte- und Gemeindebundes im Land.
Die Tarifeinigung ist von historischem Ausmaß. „Das ist die größte Tarifsteigerung in der Nachkriegsgeschichte im öffentlichen Dienst“, kommentierte am Wochenende Verdi-Chef Frank Werneke die Einigung. Die Beschäftigten erhalten ab März 2024 monatlich 200 Euro brutto und zusätzlich 5,5 Prozent mehr Gehalt – mindestens aber 340 Euro mehr. Bis dahin gibt es außerdem in mehreren Schritten 3000 Euro Inflationsprämie steuerfrei. Die ersten 1240 Euro kommen im Juni.

Auf die Städte und Gemeinden in Deutschland kommen dadurch laut den Arbeitgebern rund 17 Milliarden Euro Mehrkosten zu. Andreas Dittmann ist auch Bürgermeister von Zerbst und hat für seine Stadt ausgerechnet: Für die Inflationsprämie braucht Zerbst in diesem Jahr rund 200.000 Euro extra. Ab 2024 muss Dittmann für die Tarifsteigerungen jährlich eine Million Euro mehr für Personalkosten einplanen. „Das wird nicht ohne Komplikationen im Haushalt gehen“, sagt er. Betroffen seien alle Kalkulationen von Abwasser über Kindergärten bis Schulen. Heißt: Sparen oder neue Einnahmen.
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Tarifeinigung: Magdeburg hat Mehrkosten von etwa 14,5 Millionen Euro
Dittmann geht davon aus, dass viele Kommunen bald Steuern und Entgelte erhöhen könnten, um die Kosten zu decken. Das könne ihm zufolge auch die Grundsteuer betreffen. Möglicherweise würden aber viele Städte und Gemeinden noch die Kommunalwahl im nächsten Jahr abwarten.
Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) sieht den Tarifabschluss „mit gemischten Gefühlen“. Einerseits sei das deutliche Gehaltsplus angesichts der Inflation und der Energiepreise gerechtfertigt. Andererseits habe die Stadt dadurch zusätzliche Kosten von etwa 14,5 Millionen Euro, allein in diesem Jahr rund 5,7 Millionen Euro. Das stelle die Landeshauptstadt vor Herausforderungen.
Landkreise fordern mehr Geld vom Land Sachsen-Anhalt
Um die Kosten der Kommunen zu senken, fordert Ralf Seibicke, Landesvorsitzender beim Bund der Steuerzahler, geringere Ausgaben und keine neuen Steuern: „Da ist aus unserer Sicht noch Luft.“
Auch für die Landkreise ist die Tarifeinigung eine „schwere Kost“, meint Heinz-Lothar Theel, der Geschäftsführer des Landkreistags Sachsen-Anhalt. Er rechnet für das Jahr 2023 mit im Durchschnitt rund zwei Millionen Euro Mehrkosten pro Landkreis, für 2024 gar mit rund fünf Millionen Euro pro Jahr. „Das können wir nicht ausgleichen.“
Viele der Kreise seien ohnehin schon in finanziellen Nöten. Sie sind bei den Einnahmen auf die Kreisumlage der Gemeinden und auf das Land angewiesen. Mit dem sogenannten Finanzausgleich (in diesem Jahr fast 1,8 Milliarden Euro) unterstützt Sachsen-Anhalt die Kommunen. Dabei sieht Theel Potenzial: „Hier muss das Land für 2024 ordentlich drauflegen.“ Wie die höheren Personalkosten beim Finanzausgleich berücksichtigt werden, prüft das Finanzministerium aktuell. Der Gesetzesentwurf soll laut einem Sprecher im September in den Landtag gehen. Auch an den Kriterien zur Verteilung arbeitet das Ministerium.
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Weitere Tarifgespräche im öffentlichen Dienst stehen an
Rüdiger Erben, kommunalpolitischer Sprecher der SPD im Landtag, meint zu den Arbeiten am Gesetz: „Wie bei den Energiepreisen zeigt sich auch bei den Löhnen, dass ein Finanzausgleichsgesetz, das immer nur nach hinten schaut, in solch stürmischen Zeiten nicht funktioniert.“
CDU-Finanzpolitiker Stefan Ruland spricht von einem schwierigen Spagat: „Wir wollen für auskömmliche Finanzen sorgen, aber das Land kann auch nicht über seine Leistungsgrenze gehen.“ Ruland sieht das Land zusätzlich unter Druck, da im Herbst Tarifverhandlungen für die Landesbeschäftigten anstehen. „Es ist nicht zu erwarten, dass der Abschluss darunter liegen wird.“
Als nächstes stimmen die Verdi-Mitglieder bis Anfang Mai über die Ergebnisse ab. Der Einigung ging ein monatelanges Ringen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft samt Streiks voraus, das zu einem Schlichtungsverfahren führte. „In dem Bereich hatten wir noch nie so viele Streikbeteiligte“, sagt Annett Kannenberg-Bode, Geschäftsführerin bei Verdi im Norden Sachsen-Anhalts. Nur durch den großen Zuspruch habe das gute Ergebnis erzielt werden können.