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Stunde der Optimisten, aber: Trotz Job-Wunders ein weiter Weg zur Vollbeschäftigung

Von Klaus Tscharnke 02.11.2010, 04:16

Es ist die Stunde der Optimisten: Die Zahl der Arbeitslosen rutschte im Oktober erstmals wieder unter die Drei-Millionen-Marke – Regierungspolitiker sehen bereits Anzeichen für eine baldige Vollbeschäftigung. Die Bundesagentur dämpft hingegen die Hoffnungen.

Nürnberg (dpa). Trotz des Job-Wunders mit weniger als drei Millionen Arbeitslosen im Oktober sieht die Bundesagentur für Arbeit (BA) noch einen weiten Weg zur Vollbeschäftigung. "Einen ausgeglichenen Arbeitsmarkt mit einer Arbeitslosigkeit von nur noch drei bis vier Prozent werden wir frühestens im Jahr 2020 haben", sagte BA-Vorstandschef Frank-Jürgen Weise in Nürnberg. Begünstigt werde dies von der demografischen Entwicklung – dadurch drängten im Laufe des nächsten Jahrzehnts immer weniger Menschen auf den Arbeitsmarkt.

Die Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), der deutsche Arbeitsmarkt sei bereits "auf der Schnellstraße zur Vollbeschäftigung", kommentierte Weise mit den Worten: "Auf dieser Schnellstraße sollte Herr Brüderle vorsichtig fahren." Auf dem Weg dorthin gebe es zahlreiche Risiken, etwa die hohe Verschuldung in mehreren EU-Staaten. Diese könnten künftig die Importe aus Deutschland bremsen und die exportorientierte deutsche Industrie zurückwerfen, was wiederum Arbeitsplätze kosten könnte.

Im Oktober war die Zahl der Arbeitslosen um 86 000 auf 2 945 000 gesunken. Dies ist die niedrigste Oktober-Arbeitslosigkeit seit 18 Jahren. Im Vergleich zum Vorjahr verringerte sich die Erwerbslosenzahl um 283 000. Die Quote sank um 0,2 Punkte auf 7,0 Prozent. Die Daten hatte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) überraschend bereits einen Tag früher in Berlin veröffentlicht. Einen Hinweis auf den anscheinend schrumpfenden Einfluss der Konjunktur auf den Arbeitsmarkt sehen Fachleute im schwachen Rückgang der saisonbereinigten Arbeitslosenzahlen von nur noch 3000. Anzeichen für kurzfristige Rückschläge auf dem deutschen Arbeitsmarkt sieht Weise dennoch nicht: "Die Entwicklung ist uneingeschränkt gut. Alle Faktoren, die den Arbeitsmarkt positiv beeinflussen können, sprechen dafür, dass es so weitergeht."

Kaum noch eine Rolle spielt derzeit die Kurzarbeit, die als Jobbrücke über die Krise gespannt worden war und Hunderttausende vor Arbeitslosigkeit bewahrt hatte. Nach Angaben von BA-Vorstand Raimund Becker bezogen zuletzt im August nur noch 172 000 Männer und Frauen das sogenannte konjunkturelle Kurzarbeitergeld; dies waren 97 000 weniger als im Vormonat. Im Oktober habe die Nachfrage hingegen wieder leicht angezogen. Betriebe hätten Anträge auf Kurzarbeitergeld für 35 000 bis 40 000 weitere Beschäftigte gestellt.

Von dem seit Monaten anhaltenden Job-Boom haben nach Angaben von BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt auch Langzeitarbeitslose profitiert. Ihre Zahl sei binnen Jahresfrist um 100 000 auf 800 000 gesunken. Die meisten der noch nicht Vermittelten seien ohne Berufsausbildung, manche hätten keinen Schulabschluss. "Bei dem Kern der Langzeitarbeitslosen, die länger als ein Jahr ohne Beschäftigung waren, handelt es sich in aller Regel um Menschen, die mehrere Vermittlungshemmnisse haben: Erkrankungen, Überschuldung, Suchtprobleme, geringe Deutschkenntnisse."

Die überraschend niedrige Arbeitslosigkeit entlastet immer stärker den Bundeshaushalt. Voraussichtlich wird in der BA-Kasse in diesem Jahr nur noch ein Loch von rund 8,6 Milliarden Euro klaffen, sagte Vorstandschef Weise. Abzüglich der Rücklagen von 1,7 Milliarden Euro werde die BA daher lediglich einen Bundeszuschuss von 6,9 Milliarden Euro benötigen. Am Jahresanfang war die Nürnberger Behörde noch von einem Minus von 17 Milliarden Euro ausgegangen, das aber im Laufe des Jahres schrumpfte.

Dass der aktuelle Konjunkturaufschwung nicht nur die Arbeitslosenzahl drückt, sondern auch neue Jobs schafft, verdeutlicht nach BA-Einschätzung die Erwerbstätigenstatistik: Danach ist die Zahl der Arbeitenden von August auf September um 325 000 auf 40,9 Millionen gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies eine Zunahme um 348 000. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung legte innerhalb eines Jahres um 436 000 auf 27,98 Millionen zu (Daten vom August). Zwei Drittel der neu geschaffenen Stellen seien inzwischen Vollzeitjobs, nur noch ein Drittel Teilzeitjobs.