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Sachsen-Anhalt Justiz steckt technisch im Mittelalter

Der Rechtsausschuss des Landtags befasst sich am Freitag auf Antrag der Linken mit der Situation der Gerichtsbarkeiten in Sachsen-Anhalt.

Von Michael Bock 29.09.2020, 18:39

Magdeburg l Der Landesvorsitzende des Bundes der Richter und Staatsanwälte, Christian Hoppe, geht hart mit dem von Anne-Marie Keding (CDU) geleiteten Justizministerium ins Gericht. Im Fokus der Kritik stehen die Themen Personal und Digitalisierung.

Auf die Justiz rollt eine Pensionierungswelle zu. Bis 2030 scheidet in Sachsen-Anhalt allein gut die Hälfte der Richter aus dem Dienst aus. Das Ministerium will jährlich etwa 50 Richter neu einstellen. 2019 habe das Ministerium aber nur 39 neue Kollegen auf Probe einzustellen vermocht, sagt Hoppe. Eine Trendumkehr sei nicht zu erkennen, die Rahmenbedingungen hierzulande seien schlecht.

„Für hochqualifizierte Juristen ist es mittlerweile unattraktiv, Richter oder Staatsanwalt zu werden“, sagt Hoppe. Arbeitsmethoden seien verstaubt, die Bezahlung sei im Vergleich zu Anwaltskanzleien moderat bis niedrig. Zudem sei die Aussicht schlecht, Familie und Beruf zu vereinbaren. Das Justizministerium müsse sich bewegen und seine „antiquierten Methoden der Personalgewinnung über Bord werfen“.

Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts, Oliver Becker, hatte bereits vor einiger Zeit erklärt: „Wir können nicht mehr vernünftig arbeiten.“ Vor allem die Rotation von Proberichtern, die plötzlich abgezogen würden, mache eine verlässliche Arbeit nicht möglich.

Ein großes Ärgernis für Richter und Staatsanwälte ist nach wie vor die mangelhafte Digitalisierung. Hoppe sagt: „Die Coronakrise offenbart: Die Justiz des Landes steckt technisch im Mittelalter. Videokonferenzen in den Gerichten und bei den Staatsanwälten sind auch sechs Monate nach Beginn des ersten Lockdowns nicht möglich. Ein Armutszeugnis im Jahr 2020.“

Bis auf wenige Ausnahmen gebe es zudem keine Dienstrechner für Richter und Staatsanwälte, moniert Hoppe. Ferner bestehe keine technische Möglichkeit, von zu Hause aus auf die Computerfachprogramme in den Büros der Gerichte und Staatsanwaltschaften zuzugreifen. Kurzum: „Von einem echten Homeoffice kann nicht im Ansatz die Rede sein.“

Auch der Landesrichterrat kritisiert die „mangelhafte Ausstattung“ der Gerichte: „Homeoffice findet in der Justiz nicht statt!“ Ein zügiges Engagement der Landesregierung bei der Digitalisierung sei „nicht erkennbar“. Ministerin Keding sieht im Anschluss von Justizstandorten ans neue Datennetz eine „Aufgabe von höchster Dringlichkeit“.

Linke-Rechtspolitikerin Eva von Angern erwartet von der Regierung „erheblich mehr Engagement, um offene Stellen zu besetzen und für eine bessere technische Ausstattung zu sorgen. Verlust von Vertrauen in den Rechtsstaat bedeutet immer auch einen Vertrauensverlust in unsere Demokratie.“