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Sachsen-Anhalt Mehrarbeit gegen den Lehrermangel

Das Bildungsministerium will Pädagogen Mehrarbeit künftig nach Tarif bezahlen - statt Freizeitausgleich

Von Alexander Walter 21.10.2019, 01:01

Magdeburg l 280 000 Überstunden haben Sachsen-Anhalts Lehrer angehäuft, das entspricht dem jährlichen Arbeitsvolumen von rund 260 Lehrern. 2013 waren es noch knapp 160 000 Überstunden. Für das Bildungsministerium wird der Trend zunehmend zur Last. Denn: Bei 80 Überstunden je Lehrer ist Schluss. Überstunden sind im folgenden Schuljahr zudem durch Freizeitausgleich abzubummeln.

In Zeiten des Lehrermangels aber klappt das immer seltener. Nach Ankündigungen bereits im vergangenen Herbst will Minister Marco Tullner (CDU) die Vorgaben deshalb jetzt ändern. Eine von Bildungs- und Finanzressort erarbeitete Kabinettsvorlage dazu liegt der Volksstimme vor. Freiwillige Mehrarbeit will das Land demnach ab der ersten Überstunde auszahlen, statt sie durch Freizeit abzugleichen. Geplant ist die Bezahlung dabei nach Tarif. Die Tarifbindung ist neu: Im Herbst 2018 hatte Tullner Lehrern erstmals angeboten, sich einen Teil ihrer Überstunden auszahlen zu lassen – damals aber unter Tarif. Rund 250 Kollegen nahmen das Angebot an. Die Lehrergewerkschaft GEW kritisierte das Vorgehen.

Bis zu vier Stunden pro Woche sollen Lehrer nach der neuen Regelung zusätzlich geben dürfen. Entscheiden sie sich fürs Auszahlen entfällt das Abbummeln. Das Bildungsressort dürfte auf Effekte für die Unterrichtsversorgung hoffen. Letzere lag mit 96 Prozent zu Schuljahresbeginn auf einem Allzeit-Tiefstwert. Ziel der Kenia-Koalition sind 103 Prozent, um etwa Erkrankungen ohne Ausfall abfangen zu können.

Bei der Umsetzung will Tullner den Lehrern noch 2019 anbieten, aufgelaufene Mehrarbeit auszuzahlen. Würden alle Kollegen das in Anspruch nehmen, kämen bei 280 000 Überstunden 15,6 Millionen Euro Kosten zusammen. Nach Einführung des neuen Systems rechnet Tullner mit maximal 30 Millionen Mehrkosten pro Jahr.

Das Finanzministerium hat dafür Entgegenkommen verlangt. Eine Streichung von Entlastungsstunden für Gymnasisallehrer in der Abi-Stufe ist inzwischen ebenso vom Tisch wie generell verlängerte Lehrerarbeitszeiten. Dafür soll es Einschnitte bei älteren Lehrern geben. Diese dürfen bislang ab 60 pauschal zwei Stunden weniger arbeiten. Künftig soll die Erleichterung erst ab 62 greifen. Die Lehrer, die schon jetzt über 60 sind bleiben ausgenommen.

Die GEW erklärte, Tullner erreiche mit der Tarifbindung bei der Bezahlung von Überstunden ein notwendiges Minimum, eigentlich wären Zuschläge zu zahlen. „Das Ganze an erhebliche Verschlechterungen bei der Altersermäßigung knüpfen zu wollen, ist für die betroffenen Kollegen aber ein Schlag ins Gesicht“, so Landeschefin Eva Gerth. Schon jetzt würden viele Kollegen vorzeitig das Handtuch werfen.

Noch ist nichts entschieden. Die Kabinettsvorlage ist bislang von keinem Ministerium abgesegnet. Erst sollen die Fraktionen gehört werden.