Sanierungsstau Sachsen-Anhalts Bäder maroder als befürchtet
Der Sanierungsstau in den kommunalen Bädern Sachsen-Anhalts ist viel größer als angenommen. Er liegt bei mindestens 147 Millionen Euro.
Magdeburg l Im Waldbad Liesten bei Salzwedel begann alles mit einer scharfen Fliesenkante. Nach einem Schnittunfall ließ die Stadt das Bad 2017 mitten im Hochsommer wegen Gesundheitsrisiken schließen. Geöffnet hat es seither nicht mehr. Die Fliese stellte sich als das geringste Übel heraus. Auf 1,15 Millionen Euro schätzt Salzwedel den Sanierungsbedarf. Geld, das die klamme Kommune nicht aufbringen will.
Liesten ist kein Einzelfall. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Städte- und Gemeindebunds im Auftrag des Innenministeriums hervor. Auf 147 Millionen Euro beläuft sich der gemeldete Sanierungsstau in kommunalen Freibädern Sachsen-Anhalts demnach. Beteiligt hatten sich 77 Gemeinden, von denen 57 ein Freibad betreiben. "54 Städte und Gemeinden haben einen Sanierungsbedarf in zum Teil erheblicher Höhe angezeigt", schreibt der zuständige Innenminister Holger Stahlknecht (CDU)
Der Sanierungsstau ist damit erheblich höher als noch im Sommer angenommen. Damals war das Land von 36,5 Millionen Euro ausgegangen. Die SPD-Fraktion fordert Konsequenzen: "Daraus muss jetzt etwas folgen", sagte Landtagsabgeordneter Holger Hövelmann gestern. Vorbild könne Hessen sein. Das Bundesland habe ein Fünfjahres-Investitionsprogramm für kommunale Freibäder mit einem Jahresvolumen von 10 Millionen Euro auf die Beine gestellt. "So viel können wir nicht leisten, aber die Richtung ist richtig."
Hövelmann, zugleich Landespräsident der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), hält mehr Geld auch mit Blick auf die Schwimmfähigkeiten von Schülern für wichtig. "Aktuell können bei uns noch mehr als 90 Prozent der Viertklässler sicher schwimmen. Das sollte so bleiben. Im Bundesschnitt sind es nur noch gut 60 Prozent."
Die Linke hatte bereits im Frühling einen Schwimmbad-Fonds gefordert. Jeweils fünf Millionen Euro sollten 2020 und 2021 für Hilfe in besonders schwierigen Fällen bereitstehen. Abgeordneter Wulf Gallert sieht sich jetzt bestätigt. "Wir brauchen diesen Fonds", sagte er. Er begründet das auch mit den klammen Kassen der Kommunen. Zwar will das Land nach Volksstimme-Informationen 2020/21 die Mittel für Investitionen der Gemeinden von 125 Millionen Euro ausgehend um 80 Millionen anheben. "Das ist aber ein Nullsummenspiel", so Gallert. Denn: Ähnliche Summen würden schon bisher auf dem Umweg über die Kreise ausgezahlt, etwa beim Straßenbau. Der Aufstockung stünden zudem Verluste gegenüber. Der Städte- und Gemeindebund äußerte sich ähnlich.
Das Ministerium verwies auf Anfrage auf noch laufende Etatverhandlungen. Zuständig sei der Landtag. In Sachsen-Anhalt mussten seit 2000 36 Bäder dichtmachen. Bundesweit sind es laut DLRG etwa 80 – pro Jahr. Ein Viertel der Grundschulen könne deshalb keinen Schwimmunterricht anbieten. Der Petitionsausschuss im Bundestag beriet gestern über eine DLRG-Petition, die einen Masterplan zur Bäderrettung fordert.
Korrektur: In einer früheren Version wurde versehentlich ein falsches Foto verwendet. Das Foto zeigte das Schwimmbad „Brockenbad" im Hasseröder Ferienpark in Wernigerode. Das Schwimmbad „Brockenbad" ist jedoch weder marode noch sanierungsbedürftig und ist auch kein kommunales Schwimmbad. Die Redaktion bedauert den Fehler.