1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Gewalt auf und neben dem Fußballplatz

Schiedsrichter Gewalt auf und neben dem Fußballplatz

Schiedsrichter als Blitzableiter bei Fußballspielen - das ist besonders in den unteren Ligen Sachsen-Anhalts ein Thema.

Von Bernd Kaufholz 20.11.2019, 00:01

Magdeburg l Im hessischen Münster wurde kürzlich bei einem Kreisligaspiel ein Schiedsrichter wegen einer Gelb-Roten Karte bewusstlos geschlagen. Auch aus anderen Bundesländern gibt es immer wieder Meldungen über verbale und körperliche Gewalt gegen Referees. Ende Oktober streikten deshalb Berliner Amateurschiedsrichter, vor wenigen Tagen die Kölner. Sie wollten auf die Gewalt auf Fußballplätzen aufmerksam machen.

Roland Bartels pfeift seit 34 Jahren Spiele – heute in der Kreisklasse im Salzlandkreis. „Ich habe schon vor Jahren gesagt, der Fußball ist das Spiegelbild der Gesellschaft. Der Respekt sei abhandengekommen, meint der 60-Jährige. Für manche Zuschauer seien Schiedsrichter Blitzableiter, an denen sie ihren Frust ablassen.

Der Mann vom Egelner SV Germania, der als jemand bekannt ist, der nicht lange fackelt, wenn es um Unsportlichkeiten auf und neben dem Platz geht, sagt, dass sich ein Schiedsrichter „Autorität erarbeiten muss. Leider ist das bei jüngeren Schiedsrichtern nur noch selten der Fall. Sie lassen sich einfach zu viel bieten.“ Das sei wohl auch ein Grund dafür, dass so viele junge Schiedsrichter das Handtuch werfen, weil ihnen die Spieler auf der Nase herumtanzen.

Silke Galetzka (TSG Calbe) pfeift seit 2011 in der Landesklasse und dabei besonders in Magdeburg. In Bezug auf verbale Entgleisungen durch Spieler und Zuschauer gebe es keine Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Schiedsrichtern. „Ich hole mir vor dem Spiel Trainer und Spielführer in die Kabine. Dort erkläre ich, wie ich mir ein sportliches und respektvolles Miteinander vorstelle. Gleichzeitig weise ich darauf hin, wo die Grenze ist“, sagt die 30-Jährige. Zum Beispiel bei: „Du Blinder!“ ist der betreffende Spieler draußen. Auch Galetzka sagt, dass „Konsequenz das A und O“ sei.

Christian Schütze steht im 20. Jahr auf dem Platz. Er pfeift in der Landesklasse. „Die Beschimpfungen haben Jahr für Jahr zugenommen. Körperliche Übergriffe hingegen haben wir im Jerichower Land recht wenig.“ Da gehe es höchstens mal darum, dass ein Schiedsrichter weggeschubst werde. „Die Hemmschwelle geht aber weiter nach unten“, so der der Schiedsrichterobmann im Jerichower Land.

Markus Scheibel, Vorsitzender des Schiedsrichterausschusses des Landes-Fußballverbandes, meint mit Blick auf Sachsen-Anhalt, dass es „noch nicht so schlimm“ sei wie andernorts. Allerdings räumt er ein, dass der „Anstand verloren gegangen“ sei. „An die Schmähgesänge haben sich unsere mehr als 1400 Schiedsrichter im Land – davon 60 Frauen – ja inzwischen fast gewöhnt. Aber Gewalt ist ein absolutes Tabu. Da gibt es keine Toleranz.“

Zurzeit untersucht das Sportgericht ein Vorkommnis. Am 10. Spieltag der Landesliga Süd am 26. Oktober wurde das Spiel SC Naumburg gegen den SV Eintracht Lüttchendorf eine Viertelstunde vor dem Ende durch Schiedsrichter Marcel Theumer abgebrochen. Der Linienrichter war gut 15 Minuten vor dem Ende zusammengesackt. Der Verdacht besteht, dass der Linienrichter von einem Wurfgeschoss getroffen wurde.

Dass verbale Entgleisungen gegen Schiedsrichter dazu beitragen, dass akuter Schiedsrichtermangel in Sachsen-Anhalt herrscht, sieht Scheibel jedoch nicht. Er räumt aber ein, dass der Verband „500 bis 600 Schiedsrichter mehr“ braucht. „Paten, erfahrene Schiedsrichter, begleiten unsere jungen Leute bei ihren ersten Spielen und stärken ihnen den Rücken.“

Mirko Winkler hat 2012 seinen Schiedsrichterschein gemacht. Der 50 Jahre alte Präsident vom ASV Blau-Weiß Stendal sieht schon Probleme bei Spielen der Sieben- bis Elfjährigen: „Da sind es die Eltern, die zeigen, wie man es nicht machen sollte. Und Schiedsrichter und Spieler aufs Übelste beschimpfen. Ich habe schon hinter den Toren Bänke oder Hütchen aufstellen lassen, damit die Eltern dem gegnerischen Torwart nicht zu sehr auf den Pelz rücken.“