Wie Menschen und Tiere in Sachsen-Anhalt auf die frostigen Temperaturen reagieren. Von Winfried Borchert Sibirisch kalt: Gefühlte -49 Grad auf dem Brocken
Es war in Sachsen-Anhalt die kälteste Nacht dieses Winters: Fast 20 Grad minus gestern auf dem Brocken. Binnenschiffer kämpfen mit dem Eis, Zoo-Pfleger sorgen sich um ihre Tiere. Doch mancher hat auch seine Freude an der eisigen Kälte.
Magdeburg l Gegen drei Uhr früh wurde mit -19,2 Grad auf dem Brocken der bisherige Kälterekord des Winters aufgestellt. Prompt gaben sich wenig später mehrere Fernsehteams in der Wetterwarte die Klinke in die Hand, einige berichteten gar über eine vermeintliche "Horrorkälte". Für die Wetterexperten ist der strenge Frost in dieser Jahreszeit allerdings normal.
Dank des Russland-Hochdruckgebietes "Cooper" bleibt es mindestens bis zum kommenden Wochenende so kalt. "Dann könnte vielleicht die Minus-20-Grad-Marke geknackt werden", sagte Wetterbeobachter René Sosna vom Deutschen Wetterdienst auf dem höchsten Harzgipfel. Für die bevorstehende Ferienwoche erwarten die Meteorologen nur geringfügig mildere Temperaturen.
Die Kälte bereitet der Binnenschifffahrt bereits Probleme. Auf der Elbe zwischen Tangermünde und Geesthacht in Schleswig-Holstein behindert Treibeis den Schiffsverkehr. Zwischen dem mecklenburgischen Dömitz und Geesthacht sei der Fluss bereits zu 55 Prozent mit Treibeis bedeckt, sagte die Leiterin des Wasser- und Schifffahrtsamtes Lauenburg, Bettina Kalytta, der Nachrichtenagentur dpa. "Wenn der Frost wie vorhergesagt anhält, werden wir acht unserer zehn Eisbrecher nach Hamburg verlegen. Denn falls sich eine geschlossene Eisdecke bildet, kann die im Tidebereich der Elbe nur gegen den Strom aufgebrochen werden", sagte Kalytta. Dabei fahren fünf bis sechs der 1100 PS starken Schiffe nebeneinander stromaufwärts und knacken die Eisdecke. Weitere in zweiter Reihe fahrende Eisbrecher halten die Schollen in Bewegung, damit sie vom ablaufenden Wasser weggeschwemmt werden können.
Auch in Sachsen-Anhalts Tierparks haben sich die Pfleger auf die Eiseskälte eingestellt und kümmern sich in besonderem Maße um ihre Schützlinge.
Während von diesen einige froh über Temperaturen von bis zu minus 15 Grad sind, verlassen andere ihren geheizten Stall nicht. Im Magdeburger Zoo müssten die Pfleger "einigen ,Frostbeulen\' mit Wärmelampen einheizen", sagte Zoo-Sprecherin Regina Jembere. So seien die Erdmännchen und die Affen derzeit nicht ins Freie zu bekommen, und auch die Dickhäuter kämen nur auf Stippvisite aus ihrem warmen Haus. "Bei den Elefanten können die empfindlichen Ohren anfrieren", sagte Jembere.
Auch diejenigen, die gewöhnlich mit eiskalten Regionen in Verbindung gebracht werden, schauen lieber von drinnen nach draußen. "Unsere Humboldt-Pinguine sind von Natur aus mäßiges Klima gewöhnt", sagte Jembere. Auch sie trotzen der Kälte im warmen Haus. Ein Zustand, der für die Sibirischen Tiger, den Schneeleoparden und die Schnee-Eule nicht infrage käme. "Sie blühen gerade richtig auf."
Im Tiergarten Stendal möchten Ozelot, Stachelschwein und Nasenbär ihre Rotlichtlampe derzeit ebenfalls nicht missen, sagte Tiergarten-Leiterin Anne-Katrin Schulze. Am wärmsten haben es die Affen, wo die Heizungsanlage konstante 20 Grad hält. Große Freude gebe es bei Polarfuchs, Trampeltier und Wolf. "Sie freuen sich sichtlich über die trockene Kälte und die Schneedecke", sagte Schulze.
Dagegen kommen "Schneehasen" im Harz auf ihre Kosten. "Skiläufer und Rodler finden in den oberen Lagen sehr gute Bedingungen vor", sagte Carola Schmidt, Geschäftsführerin des Harzer Tourismusverbandes in Goslar. Das grenzübergreifende Loipennetz in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen ist bestens präpariert, es gibt zahlreiche Rodelhänge.
Ein winterharter Gast in Elbingerode
Für Abwechslung sei zugleich gesorgt, sagte Schmidt. Noch bis zum 18. Februar laden die "Schierker Wintersportwochen" zu vielfältigen Veranstaltungen von Eislaufen bis Fackelwanderung und Wintermärchen ein. 18 Harzer Städte und Gemeinden locken mit Angeboten in der Ferienwoche zum "Kultur-Winter".
Trotz reger Nachfrage herrsche laut Schmidt an Übernachtungsmöglichkeiten im Harz zurzeit kein Mangel. Manche winterbegeisterte Touristen bevorzugen ungeachtet dessen außergewöhnliche Unterkünfte. Karl Allwardt aus Bargteheide (Schleswig-Holstein) hat für eine Woche sein Zelt bei Elbingerode aufgebaut, "zum Skilaufen", wie er sagt. Gegen die Kälte schützt er sich mit zahlreichen Tierfellen und mit einem Ofen. Elke und Horst Bittner, die den Elbingeröder Platz "Campen am Brocken" seit Jahren führen, staunten über ihren winterharten Gast. "So einen Fall hatten wir noch nicht", meinten sie.